Adventskalender (3): Singen mit einem im Tee

Weihnachtsmärkte in Berlin sind oft Konsumterror und Trash – eine zuverlässige Ausnahme gibt es aber: Den Lichtermarkt in Lichtenberg.

Kerzenflamen im Dunkeln

Lichter wärmen das Herz – wer braucht da schon Glühwein? Foto: IMAGO / CHROMORANGE

Es gibt sie noch, die nicht ganz so schlechten Dinge – auch wenn sie derzeit rar gesät sind. In diesem Advent zaubern wir jeden Tag etwas Meckerfreies aus unserem Kalender. Sei's kulinarisch oder klimatisch, mobil oder musikalisch. Lassen Sie sich überraschen.

BERLIN taz | Schon bevor die Weihnachtsmarktsaison in Berlin so richtig los ging, wurde gemeckert: Boah, ist das alles teuer geworden hier. Manche Zeitungen haben sogar ihre Reporter losziehen lassen für investigative Recherchen in der Abzockhölle Weihnachtsmarkt. Empörung überall, vor allem über die gestiegenen Preise beim Glühwein. Obwohl ja alle wissen, dass man den besser eh nicht trinken sollte, weil man Gefahr läuft, ganz schnell Kopfweh davon zu bekommen.

Für Berliner und Berlinerinnen sind Weihnachtsmärkte eben ein großes Thema. Sie lieben es, wie etwa beim Weihnachtsmarkt auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain, Eintritt dafür zahlen zu dürfen, um dann bei Kälte sogenanntes Mittelalterflair vorgekaukelt zu bekommen.

Das Angebot in der Berliner Weihnachtsmarktbranche ist kaum noch zu überschauen. Die meisten dieser Budenzauber sind lediglich als Weihnachtsmärkte getarnte Rummel, der Kitsch- und Trashfaktor ist oftmals ziemlich hoch. Wer Besinnlichkeit sucht, sollte sich lieber zu Hause eine Flasche gute Rotwein öffnen.

Immer mehr Nischenmärkte

Es gibt aber auch immer mehr Nischenmärkte, die den Pegel auf der Geschmacklosigkeitsskala nicht um jeden Preis im roten Bereich halten wollen. Wie beispielsweise einen Zero Waste Weihnachtsmarkt oder ein Queeres Winterwunderland, beide dieses Jahr erstmals dabei. Aber selbst bei den Märkten, die so richtig auf alternativ machen, umschleicht einen immer schnell das Gefühl, es gehe auch hier vor allem darum, vorweihnachtliche Konsumzonen zu sein.

Doch es gibt einen Markt in Berlin, an dem gibt es wirklich gar nichts auszusetzen: den Lichtermarkt am Rathaus Lichtenberg. Der ist in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von den Bratwurstbuden mit Riesenrad, die die Szene dominieren. Und der Glühweinpreis dürfte dort auch in diesem Jahr wieder vergleichsweise moderat sein.

Den Lichtermarkt gibt es nur einen Tag lang, am 3. Dezember, allein das schon ist ultimativer Minimalismus. Ausschließlich gemeinnützige Vereine und soziale Einrichtungen bieten Selbstgebackenes und Selbstgebasteltes an. Die Weihnachtsplätzchen, die es im letzten Jahr hier und dort gab, waren exzellent.

Und wenn die Laienchöre beim Schmettern von Weihnachtsliedern schon langsam einen im Tee haben und man in eine Waffel beißt, die wahrscheinlich auch in diesem Jahr nicht viel mehr als 1,70 Euro kostet – dann wird man wieder wissen, dass es auf keinem anderen Berliner Weihnachtsmarkt auch nur ansatzweise so angenehm sei wird wie hier in Lichtenberg.

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