AfD Sachsen-Anhalt eingestuft: „Gesichert rechtsextrem“

Der Verfassungsschutz stuft die AfD Sachsen-Anhalt als klar verfassungsfeindlich ein. Der Landesverband wolle Demokratie und Rechtsstaat abschaffen.

Hans Thomas Tillschneider gestikulierend auf der Straße

Will „Krieg“ gegen die Bundesregierung: Hans-Thomas Tillschneider, Landes-Vize aus Sachsen-Anhalt Foto: Jan Huebner/imago

BERLIN taz | Der AfD-Landesverband Sachsen-Anhalt gilt für den Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“. Das bestätigte Behördenchef Jochen Hollman am Dienstag der taz. Nach Thüringen ist Sachsen-Anhalt damit das zweite Bundesland, in dem die AfD damit aus Sicht des Inlandsgeheimdienstes auf einer Stufe mit der verfassungsfeindlichen NPD steht.

Die Einstufung kommt für Be­ob­ach­te­r*in­nen nicht überraschend, weil der Landesverband schon lange von völkisch-nationalistischen Scharfmachern dominiert wird. Erst im Februar dieses Jahres hatte etwa der Vize-Chef Hans-Thomas Tillschneider zum „Krieg“ gegen die Bundesregierung aufgerufen.

Laut Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt vertritt die AfD in Sachsen-Anhalt verfassungsfeindliche Positionen und habe sich seit der Corona-Pandemie weiter radikalisiert. Im Januar 2021 wurde der Landesverband als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft, seither sei gemäß dem gesetzlichen Auftrag der Behörde intensiv geprüft worden.

Infolge der Prüfungen sei nach der Hochstufung im Oktober 2023 „eine systematische Beobachtung unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gerechtfertigt.“ Die Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ ist die höchste Kategorie des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Abschaffung der Demokratie

Die Einstufung mache Hollmann vor allem an Aussagen zahlreicher Funktions- und Mandatsträger fest, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richteten. Mit zahlreichen muslimfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Aussagen verstoße die AfD gegen das Prinzip der Menschenwürde, gegen das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip.

Die Partei strebe ein „ethnokulturell homogenes Staatsvolk“ an. Sie fordere die Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion, wenn sie Migranten „zum Beispiel als ‚Invasoren‘, ‚Eindringlinge‘ oder ‚kulturfremde Versorgungsmigranten‘ diffamieren oder deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund als ‚Passdeutsche‘ bezeichnen“, wie es von der Behörde heißt.

Aus Sicht des Landesamtes für Verfassungsschutz strebe die Partei außerdem die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie an, indem sie Institutionen und deren Vertreter verächtlich mache. Insbesondere während der Pandemie hätten AfD-Politiker die Bundesrepublik immer wieder mit autokratischen und totalitären Regimen und Maßnahmen der Pandemieeindämmung mit der Judenverfolgung in der deutschen NS-Diktatur gleichgesetzt. Ebenso würden antisemitische Begriffe wie „Great Reset“ benutzt.

Gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße die AfD, indem sie versuche, „ganze soziale Gruppen zu entrechten und einer faktischen Willkürherrschaft zu unterwerfen“. Darauf weise die in der AfD breit vertretene Ideologie des Ethnopluralismus hin. Der ist zentraler Bestandteil des Weltbilds der sogenannten Neuen Rechten, die eine staatliche Homogenität nach „Ethnien“ anstrebt.

Tatsächlich ist der Landesverband Sachsen-Anhalt eng verwoben mit dem ebenfalls als gesichert rechtsextrem eingestuften Institut für Staatspolitik in Schnellroda, das maßgeblicher Treiber für diese rassistische Ideologie ist. Sachsen-Anhalt ist das Stammland von Götz Kubitschek, der zentralen Figur der Neuen Rechten.

Mehrfach unterstreicht der Inlandsgeheimdienst, dass er gesetzlich dazu verpflichtet ist, die AfD zu beobachten und das Ergebnis bekannt zu geben, um als „Frühwarnsystem“ vor verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu warnen. Die Behörde wird immer wieder von der rechtsextremen Partei scharf angegriffen. Die AfD geht häufig gegen Einstufungen rechtlich vor – meist ohne Erfolg.

Auf die Frage, ob er über die Einstufung durch das vermeintliche „Frühwarnsystem“ überrascht sei, sagte David Begrich, Rechtsextremismus-Experte aus der Landeshauptstadt Magdeburg: „Nein. Die Einstufung ist folgerichtig. Die Landesverbände Sachsen-Anhalt und Thüringen gehörten von Beginn an zu den Treibern und Vorreitern der Radikalisierung der AfD, und zwar nicht erst seit heute“, so Begrich.

Wäh­le­r*in­nen trotz Radikalisierung nicht abgeschreckt

Laut Verfassungsschutz hat die Einstufung zur Folge, dass die „systematische Speicherung personenbezogener Daten zum Zweck der Erhebung von Informationen über extremistische Aktivitäten der AfD Sachsen-Anhalt der Verfassungsschutzbehörde (unter Beachtung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit) nunmehr uneingeschränkt möglich ist“, ebenso dürfe man nun öffentlich über die AfD Sachsen-Anhalt sowie ihre Untergliederungen und Teil-Organisationen berichten und vor ihr warnen.

Wäh­le­r*in­nen schreckten Radikalisierung und Warnungen des Verfassungsschutzes zuletzt nicht ab. Angesichts dessen und der AfD-Einstufung sagte Innenpolitikerin Misbah Khan (Grüne): „Wir sollten uns dringend fragen, ob wir uns als Gesellschaft wirklich von Verfassungsfeinden in migrationsfeindliche Debatten drängen lassen wollen, in denen es nur Verlierer gibt.“

Der AfD-Landesverband Thüringen mit dem Vorsitzenden Björn Höcke wurde bereits 2021 als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Die Gesamtpartei gilt als „rechtsextremer Verdachtsfall“. Die AfD klagt derzeit gegen die Einstufung und verlor zuletzt einen Prozess vor dem Verwaltungsgericht in Köln. Im Februar steht die nächste Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Münster an. Zuletzt wurde auch die Jugendorganisation der AfD, die „Junge Alternative“ als gesichert rechtsextrem eingestuft.

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