Algorithmen in der Kunst: Den Mainstream-Eintopf verhindern

Der Algorithmus weiß, was sich am besten verkauft. Im Kampf gegen die digitale Vorhersehbarkeit gilt es, per Klick aus der Reihe zu tanzen.

Rosa von Praunheim mit Herzchen ums Gesicht im Arm seines Partners

Hätte er eine Chance gehabt gegen die Algorithmen? Rosa von Praunheim 2019 am Arm seines Partners Foto: Jens Kalaene/dpa

Wenn Wahrscheinlichkeiten über die Kunst entscheiden, entsteht häufig ein Mainstream-Eintopf. Das kann gut sein, muss es aber nicht. Früher haben die Menschen noch selber entschieden. Nur häufig waren diese Entscheidungen mindestens genauso bescheiden wie die der Algorithmen heute. Es lohnt sich, genauer hinzugucken: Vor ein paar Jahrzehnten gab es kluge Produzent*innen, die einen Riecher dafür hatten, was funktioniert und was nicht.

In Zeiten des zunehmenden Videostreamings weicht dieses feine Näschen dem Algorithmus. Er sagt dir, welche Schauspieler*innen, welche Formate, welche Themen, welche Genres, wann und wo geklickt werden. Er kann berechnen, was Menschen schauen wollen, weil er unser Guckverhalten analysiert. Wahrscheinlich, weil er uns besser kennt als wir uns selbst, und das ist tatsächlich bedenklich.

Deshalb besteht die Gefahr, dass diese Algorithmen den Kreativen auf kurz oder lang vorschreiben, was sie produzieren sollen. Der Algorithmus hilft ihnen, nahezu prophetisch in die Zukunft zu blicken, da wir Menschen offenbar doch nicht so einzigartig und unberechenbar klicken. Der Algorithmus hilft also, maßgeschneiderte Produkte für unseren auf Monitoren flimmernden Konsum zu produzieren.

Nur – wie misst man Erfolg? Einzig und allein in Klickzahlen? Ist also künftig „Kartoffelsalat 3“ einem Film wie dem letztjährigen Berlinale-Gewinner „Bad Luck Banging or Loony Porn“ vorzuziehen? Wäre ein Film wie „Lola rennt“, weil zu experimentell, nie gemacht worden? Müssen wir mit einer noch stärkeren Krimi-Flut rechnen?

Einen Augenklick! Wir sollten nicht vergessen, dass wir alle Teil des Systems sind. Wir füttern die Algorithmen mit unseren Verhaltensmustern, und nur wenn wir gegen die Erwartungen der Klick-Wahrscheinlichkeiten handeln, verändern wir das Muster. Also sollten wir nicht nur schimpfen, sondern auch klicken und mit daran arbeiten, den Algorithmus zu steuern, weil wir ein Teil von ihm sind. Übernehmen wir die Macht über die digitalen Vorhersehbarkeiten! Klick, klick.

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ist 1979 geboren und wohnhaft in Berlin. Der Autor und Filme­macher hat an der Athanor Akademie Regie studiert und seitdem zahlreiche Filme und Theater­stücke realisiert.

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