Arbeitsmarkt in Deutschland: Höchststand an Beschäftigten

Trotz Krisen sind über 45 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig. Aber die Probleme kommen, wenn die Boomer in Rente gehen.

Passanten mit Einkaufstüten

Shopping an einem Adventssamstag in München Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

Wirtschaftlich geht es Deutschland ziemlich gut – darauf deutet die hohe Zahl der Beschäftigten hin, die das Statistische Bundesamt am ersten Arbeitstag 2023 bekannt gab. 45,6 Millionen Menschen waren im vergangenen Jahr durchschnittlich in Arbeit, mehr als vor Corona, so viele wie noch nie seit der Wiedervereinigung.

Die sogenannte Multikrise – Covid, Krieg, Inflation, Klima – macht sich auf dem Arbeitsmarkt wenig bemerkbar. Es gibt eine Gleichzeitigkeit negativer und positiver Entwicklungen. Dass so viele Bürgerinnen und Bürger eine bezahlte Arbeit finden, entspannt die Gesellschaft. Den Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können, erzeugt Zufriedenheit, die Möglichkeit sich einzumischen und damit sozialen Zusammenhalt.

Wenn jetzt noch eine Arbeitsmarktkrise dazukäme, wären wir deutlich schlechter dran. Trotz der sich ankündigenden leichten Schrumpfung ist die Lage vieler Unternehmen und Ar­beit­ge­be­r:in­nen offenbar solide. Selbst die Industrie stellt wieder Leute ein – ohne allerdings bisher die Jobverluste der Pandemie und der internationalen Lieferprobleme auszugleichen. Der Handel dagegen ist dabei, die Coronafolgen wettzumachen.

Auch die staatlichen Verwaltungen, Schulen und der Gesundheitssektor suchen dringend Beschäftigte. Deshalb finden inländische Arbeitslose und Ar­beit­neh­me­r:in­nen leichter neue Stellen – wobei neu Eingewanderte einen guten Teil der zusätzlichen Jobs besetzen. Und offenbar macht die Politik vieles richtig: Sie zieht kein Geld aus dem Arbeitsmarkt heraus, sondern pumpt zusätzliches hinein, etwa mit der Gas- und Strompreisbremse, die auch den Firmen zugutekommt.

Mehr Einwanderung nötig

Wie lange aber kann dieser Boom anhalten? Viele Fachleute sagen, dass bald der Höhepunkt der Beschäftigung erreicht sei, weil die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und deutlich mehr freie Stellen als Bewerber auf dem Markt sein werden. Dann wahrscheinlich reichen die bisherigen Maßnahmen nicht aus. Die Politik muss erheblich mehr in Kinderbetreuung und Familienfreundlichkeit investieren, um die Erwerbstätigkeit von Frauen zu steigern. Außerdem brauchen wir zusätzliche Einwanderung.

Doch der prognostizierte Arbeitskräftemangel hat auch positive Seiten. Die Löhne werden zunehmen, die Beschäftigten können mehr Wünsche bei den Arbeitgebern durchsetzen. Gleichzeitig nimmt der Anreiz für die Unternehmen zu, teure Beschäftigte durch Maschinen zu ersetzen. Das wiederum führt zu höherer Produktivität, der Treiberin weiteren Wohlstands. Und mehr Produktivität schafft zum Beispiel die Basis dafür, konkurrenzfähige Techniken für die ökologische Transformation zu entwickeln und die Klima­krise zu bewältigen.

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Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.

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