Nach 28 Jahren wieder erstklassig: Der Schuss regionale Würze

Eintracht Braunschweig mit seiner großen Anhängerschaft wird die Erste Bundesliga bereichern und der Polizei ordentlich zu tun geben.

Vater des Aufstiegs: Die Braunschweiger Spieler lassen ihren Trainer Torsten Lieberknecht hochleben. : dpa

BRAUNSCHWEIG taz | Für die Straßenbahnen gab es im blau-gelben Getümmel kein Durchkommen mehr. Der Autokorso, der sich am Abend des Aufstiegs in der Braunschweiger Innenstadt gebildet hatte, kam nicht von der Stelle. „Wir haben die besten Fans der Welt“, schwärmte Torjäger Domi Kumbela, dem die Freude und der Alkohol die Zunge gelockert hatten.

Die Rückkehr von Eintracht Braunschweig in die 1. Fußball-Bundesliga war von einem Wochenende voller Feierlichkeiten und lautem Getöse begleitet, die ein Vorgeschmack auf die besondere Euphorie rund um einen etwas anderen Traditionsverein sind. Rund 11.000 Fans hatten am Samstag im Stadion an der Hamburger Straße einer Mannschaft gehuldigt, die am Freitagabend mit einem 1:0 (0:0)-Erfolg beim FC Ingolstadt ihre erstaunliche Saison krönen konnte. „Unser großer Traum ist in Erfüllung gegangen“, sagte Eintracht-Trainer Torsten Lieberknecht, der als besonnener Vater des Braunschweiger Erfolgs gilt.

Ein eher fades Spiel

Vielleicht musste es genau auf diesem Wege klappen: Ein Freistoß-Tor von Damir Vrancic in der Nachspielzeit, mit dem in Ingolstadt nach einem eher faden Spiel kaum noch zu rechnen war, bescherte nach einer 28-jährigen Abstinenz die vorzeitige Rückkehr in das ersehnte Oberhaus. Hannover 96 und der VfL Wolfsburg staunen über ihren frechen, schrillen und lauten Nachbarn, der das Novum möglich macht, dass erstmals in der Bundesliga-Geschichte drei niedersächsische Klubs in Liga eins vertreten sein werden.

Die Eintracht sorgt für einen Schuss regionale Würze, die das beherrschende Thema in den sozialen Netzwerken und Internet-Foren ist. Die vielen Gratulationen an eine Mannschaft, deren Kern schon in der Regionalliga am Ball war, mischen sich mit leichter Besorgnis. Vor allem zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig herrscht eine langjährige Rivalität, die das normale Maß bei Derbys weit übersteigt.

In der Frage, was der euphorisierten Braunschweiger Mannschaft in der nächsten Saison zuzutrauen ist, scheiden sich die Geister. „Wir müssen keine Stammspieler abgeben“, sagt Manager Marc Arnold, wenn er erklären will, warum die Eintracht nicht zwangsläufig so chancenlos sein muss wie die gerade in der 1. Liga gescheiterte SpVgg Greuther Fürth.

Der Etat steigt von 20 auf 37 Millionen Euro. Maximal fünf Neuzugänge sollen jenes eingespielte Kollektiv verstärken, das zur Verblüffung der Zweitliga-Konkurrenz fast die gesamte Saison über nicht von den Aufstiegsplätzen zu verdrängen war. „Der Aufstieg bestätigt uns in allen Maßnahmen, die wir mit unserem Konsolidierungskurs vor fünf Jahren begonnen haben“, findet Vereinspräsident Sebastian Ebel.

Der sportliche Aufschwung und die neue wirtschaftliche Vernunft eines Vereins, der schon für so manche Kapriole im bezahlten Fußball gut war, ergänzt die Chronik des deutschen Meisters von 1967 um ein ungeahntes Kapitel. Der Andrang und die Leidenschaft der Fans sind so groß, dass vor allem der VfL Wolfsburg im Wettstreit mit den Braunschweigern vor Neid erblassen muss. Die Eintracht wird ihren beiden Nachbarn in den Derbys das Stadion füllen und die Dienstpläne der niedersächsischen Polizei um so manche Überstunde bereichern.

Arbeitsgruppe Sicherheit

„Ich bin überzeugter Hannoveraner, aber mit Vernunft“, sagte der 96er-Präsident Martin Kind. „Dieses Spannungsfeld zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig kann ich nur bedingt verstehen.“ Kind pflegt zu seinem Kollegen Ebel ein freundschaftliches Verhältnis. Sein Kommentar zum Aufstieg der Eintracht war von hohem Respekt vor der Arbeit von Vorstand, Trainer und Mannschaft geprägt – und von dem Wunsch, sich rechtzeitig anzunähern. „Erst werden wir gratulieren und dann das Gespräch suchen“, sagte Kind mit Blick auf eine „Arbeitsgruppe Sicherheit“, deren Gründung er zeitnah anregen möchte.

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