Spitzenspiel -Regionalliga Nord: Das Wunder von der Lohmühle

Im Spitzenspiel gegen Chemnitz kommt der VfB Lübeck über ein Unentschieden nicht hinaus. Auch wenn die Chancen auf den Aufstieg nun geschwunden sind: Die Entwicklung des Clubs ist positiv.

Kommt dem VfB demnächst abhanden: Bastian Henning, Lübecker Top-Torjäger. Bild: dpa

LÜBECK taz | Als Bastian Henning in der 80. Minute alleine auf das Chemnitzer Tor zulief, saßen von mehr als 5.000 Zuschauern im Stadion an der Lübecker Lohmühle nur noch die wenigsten in ihren Sitzschalen. Elektrisiert waren sie aufgesprungen, denn es schien nun alles zum Greifen nah: der erste Treffer der Partie, der Sieg, die große Aufstiegschance. Doch Henning, der Top-Torjäger des VfB Lübeck, schoss links vorbei. Tor verfehlt, Sieg verspielt - Aufstieg futsch?

0:0 unentschieden trennten sich Lübeck und Chemnitz schließlich im Topspiel der Regionalliga Nord. Das von Bundesliga-Schiedsrichter Peter Gagelmann geleitete Remis hilft dabei dem CFC mehr als dem VfB. Der Tabellenführer aus Chemnitz hat bei 12 noch ausstehenden Spielen 53 Punkte, das sind neun mehr, als die zweitplatzierten Lübecker bisher erzielt haben - die allerdings auch noch ein Nachholspiel zu absolvieren haben. Geht es nach Lübecks Trainer Peter Schubert, dann ist denn auch noch nichts entschieden: "Den Aufstieg", sagt er, "habe ich noch nicht abgeschrieben."

Für seinen Optimismus hat der Coach gute Argumente: Beim Hinspiel waren die Lübecker noch mit 0:6 untergegangen. Danach startete der VfB eine beeindruckende Serie von 14 Spielen ohne Niederlage, darunter elf Siege. "Wir haben unsere Mannschaft kontinuierlich weiterentwickelt. Sie ist jetzt ein Regionalliga-Spitzenteam", sagt Schubert. Chemnitz dagegen spielte in den letzten sieben Partien viermal unentschieden.

Dass die Lübecker nach 23. Spieltagen an Positionzwei der Tabelle stehen, ist angesichts der turbulenten jüngeren Vergangenheit beeindruckend: Gerade einmal knapp drei Jahre ist es her, dass der ehemalige Zweitligist beim Amtsgericht Lübeck Insolvenz hatte anmelden müssen. Seitdem werden an der Lohmühle deutlich kleinere Marzipanbrote gebacken.

Das Insolvenzverfahren wurde 2010 abgeschlossen, dennoch hat Lübeck mit etwas mehr als einer Millionen Euro einen der kleinsten Etats der Regionalliga Nord. Die Spieler kassieren im Schnitt etwa 1.200 Euro Gehalt und haben neben dem Fußball fast alle noch einen zweiten Beruf. Zum Vergleich: Beim CFC sollen die Spieler mehr als das Dreifache bekommen. Bei solchen finanziellen Verhältnissen muss der VfB zähneknirschend akzeptieren, dass sogar Torjäger Henning (12 Tore) seine Prioritäten in Richtung Beruf verschiebt - und ab der kommenden Saison nicht mehr zur Verfügung steht.

Neben dem von Henning enden zum Sommer 14 weitere Verträge. Bei vielen davon habe der Verein aber Optionen auf Verlängerung, sagt Trainer Peter Schubert, "die wir auch alle ziehen werden". Er ist überzeugt, seine Männer halten zu können: "Die Spieler wissen, was sie am VfB Lübeck haben."

Für gute Laune dürfte in der Hansestadt auch die Tatsache sorgen, dass man in der Tabelle deutlich vor dem ewigen Konkurrenten um die Vorherrschaft in Schleswig Holstein steht: Der finanziell wesentlich besser aufgestellte Dauerrivale Holstein Kiel dümpelt als Drittliga-Absteiger auf dem 11. Rang herum. Sogar der von einem Großkonzern gesponserte RB Leipzig liegt hinter dem VfB. Das Unentschieden gegen Chemnitz, wo neben dem besten Angriff auch die beste Verteidigung der Liga zu finden ist, reicht zwar nicht, um den Abstand zur Spitze zu verkürzen - ein Achtungserfolg ist es allemal.

"Wir versuchen, den kleinen Etat dadurch auszugleichen, dass wir noch akribischer arbeiten als andere", sagt Schubert. "Letztendlich müssen wir über motivierte, engagierte Trainingsarbeit kommen." Der Erfolg des Fleißes zeigte sich auch jetzt gegen Chemnitz: Trotz wackliger Phasen waren die Lübecker insgesamt das dominierende Team. Aber sie vergaben auch Chance um Chance.

Die VfB-Anhänger, die in den vergangenen Jahren viel mitgemacht haben, reagierten gelassen auf die vielen Fehlversuche. "Wir haben uns in den letzten zweieinhalb Jahren einen guten Ruf erarbeitet", sagt Schubert, erst kürzlich zu Schleswig Holsteins Trainer des Jahres gekürt. Nach dem finanziellen Crash hatte er noch davon gesprochen, dass das Vertrauen der Fans zurückerobert werden müsse.

Das scheint gelungen zu sein: 5.646 Zuschauer, darunter etwa 500 Gästeanhänger, waren am Samstag zur Lohmühle gepilgert - Saisonrekord. Schubert hofft, "dass die alle wiederkommen", weiß aber dass ein Schnitt von 5.000 Fans unrealistisch ist. "Aber 3.000", sagt er, "wären schon schön."

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