Metropolregion Hamburg: Immer größer, schneller, weiter

Die Erweiterung um Lübeck und bis nach Mecklenburg macht die Metropolregion Hamburg zur zweitgrößten Deutschlands und zur einzigen, die vier Bundesländer umfasst.

Wächst vielleicht weiter: Die Metropolregion Hamburg. Bild: Infotext/M. Kluger

Sven Schindler träumt von der wachsenden Stadt Lübeck. Mehr Einwohner, mehr Wirtschaftsleistung, mehr Kaufkraft schweben dem SPD-Wirtschaftssenator vor. Nur 212.000 Einwohner hat Lübeck, Tendenz sinkend. Den Trend umzudrehen, ginge am besten in Kooperation mit der großen Hanseschwester an der Elbe, glaubt Schindler: "Lübeck muss an Hamburg heranrücken." Und darum will die Stadt in die Metropolregion Hamburg aufgenommen werden.

Über den Aufnahmeantrag Lübecks berät am 25. November in Cuxhaven der Regionsrat. Das höchste Gremium der Metropolregion setzt sich zusammen aus 40 Vertretern der drei Länder, 14 Landkreisen und etwa 800 Kommunen. Auch Neumünster möchte aufgenommen werden. Und selbst die Osterweiterung steht auf der Agenda: Das Land Mecklenburg-Vorpommern möchte seine beiden westlichsten Landkreise Ludwigslust und Nordwestmecklenburg samt der Hanse- und Hafenstadt Wismar der Metropolregion Hamburg angliedern. Damit würde die Metropolregion zur zweitgrößten in Deutschland - und zur einzigen, die vier Bundesländer umfasst.

"Und dann ufert das völlig aus", fürchtet Klaus Plöger. Der SPD-Landrat des Kreises Stormarn ist gegen die Erweiterung. Darin weiß er sich einig mit seinen Kollegen in den anderen fünf Kreisen im Speckgürtel im Süden Schleswig-Holsteins. Dann würde alles noch viel komplizierter, sagt Plöger: "Es gibt jetzt schon zu viele Köche."

Die 1995 gegründete Metropolregion Hamburg ist mit 19.800 Quadratkilometern größer als Schleswig-Holstein und die flächenmäßig zweitgrößte in Deutschland.

Ausdehnung: Als einzige in Deutschland erstreckt sie sich auf drei Bundesländer.

Mitglieder: Die Metropolregion besteht aus der Hansestadt selbst, den südlichsten Landkreisen Schleswig-Holsteins (Dithmarschen, Steinburg, Pinneberg, Segeberg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg) und den nördlichsten Landkreisen Niedersachsens (Cuxhaven, Rotenburg, Stade, Soltau-Fallingbostel, Harburg, Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg).

Bewohner: Etwa 4,3 Millionen Einwohner, davon wohnen knapp 1,8 Millionen in Hamburg.

Am heutigen Dienstag haben Plöger und sein Lauenburger Amtskollege Gerd Krämer einen Termin im Hamburger Rathaus mit Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) und dem zuständigen Wirtschaftssenator Ian Karan, zwei Wochen später in Kiel mit Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). Hamburg und Schleswig-Holstein befürworten die Erweiterung, Niedersachsen hat signalisiert, ihr nicht im Wege zu stehen, und Mecklenburg-Vorpommern hofft auf Aufnahme. "Das Hamburger Umland endet nicht mehr an der ehemaligen innerdeutschen Grenze", sagt Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD): "Die Hansestadt wird für uns weiter an Bedeutung gewinnen."

Die Kooperation in der Metropolregion basiert auf vier inhaltlichen Schwerpunkten: internationale Wettbewerbsfähigkeit, Verbesserung der Daseinsvorsorge, Raumstruktur und Flächenmanagement sowie Klimawandel. Denn in all diesen Bereichen ist lokaler Eigensinn kaum zukunftsfähig. So hat die Region sich kürzlich in einem Gutachten eine gemeinsame Gewerbeflächenkonzeption skizzieren lassen. Hamburg hat kaum noch Flächen, vor allem in Nord-Niedersachsen ist noch Platz. Um eine Kannibalisierung im Kampf um Firmen und Gewerbesteuereinnahmen zu verhindern, ist friedliche Koexistenz vonnöten.

Wie zum Beispiel Nordgate, nördlich von Hamburg, das sich als Einheit präsentiert. Sechs Städte der Metropolregion entlang der Autobahn A 7 sowie das noch um Aufnahme ersuchende Neumünster bilden laut Eigenwerbung "den stärksten Wirtschaftsraum Schleswig-Holsteins mit außergewöhnlicher Lagegunst". 210.000 Menschen wohnen hier, noch ist Platz für Reihenhäuser, es gibt günstige Gewerbeflächen und "einen niedrigen Gewerbesteuersatz". Das Gebiet beginnt am Flughafen Fuhlsbüttel, zum Hamburger und Kieler Hafen sind es mit dem LKW etwa 30 Minuten, und mit dem Weiterbau der Ostseeautobahn A 20 käme der Anschluss an Skandinavien und das Baltikum: Nordgate, "das Tor zur Metropolregion", hat Zukunft.

Die möchte auch Sven Schindler für Lübeck etwas farbenfroher malen. Wichtig ist dem Wirtschaftssenator die Anbindung an den Hamburger Verkehrsverbund (HVV). Wohnen und arbeiten an der Achse von Hamburg nach Lübeck und perspektivisch weiter über den Fehmarnbelt bis nach Kopenhagen, ist seine Vorstellung. Und in 40 Minuten ginge es zum HVV-Tarif von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof.

Die für den Süden Schleswig-Holsteins und damit für die Metropolregion zuständige Industrie- und Handelskammer (IHK) Lübeck "befürwortet das nachdrücklich", sagt Rüdiger Schacht, Geschäftsführer Standortpolitik: "Es geht um die Entwicklung der Hansebelt-Achse von Hamburg über Lübeck bis in die Öresund-Region Kopenhagen/Malmö." Und Hamburg sei nun mal "die wirtschaftliche Lokomotive in Norddeutschland". Auch die Erweiterung über die ehemalige innerdeutsche Grenze sieht die IHK positiv, so bekäme Lübeck sein Hinterland im Osten zurück. "Wir unterstützen auch die Erweiterung der Metropolregion nach Mecklenburg-Vorpommern", sagt Schacht.

All das sieht Landrat Plöger nicht ohne Argwohn. Hamburg und Lübeck würden mit ihrer Hafenkooperation gut zusammenarbeiten, stellt er fest. Bei noch engerer Kooperation zwischen den beiden Hansestädten drohe das Land dazwischen zum Transitkorridor zu verkommen. Außerdem würde der von den Ländern finanzierte Fördertopf von jährlich drei Millionen Euro für gemeinsame Projekte nicht größer, aber es wären mehr Esser am Tisch. "Wir wollen gar keine Fördergelder haben", stellt indes Schindler klar. Das hoch verschuldete Lübeck müsse sich in der Zusammenarbeit selbst entwickeln: "Wir wollen Wachstum, keine Subventionen."

Das will Plöger erst glauben, wenn er es sieht: "Lübeck soll erst mal seine Hausaufgaben machen. Dann sehen wir weiter."

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