ATOM: Verfassungsgericht soll helfen

Bremen wird "definitiv" in Karlsruhe klagen, wenn die Bundesregierung ihre AKW-Laufzeitverlängerung ohne den Bundesrat durchsetzt. Esenshamm soll 2012 vom Netz.

Leckerer Atomausstieg: Vor der Debatte verteilen die Grünen AKW-Kekse an Touris - zum Sofortverzehr Bild: THA

Der Bremer Senat soll gegen die von der Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken klagen. Das beschloss die Bürgerschaft auf ihrer gestrigen Sitzung. Zudem soll er sich bei der niedersächsischen Landesregierung für das baldige Abschalten des AKW Esenshamm an der Unterweser stark machen.

Maike Schaefer von den Grünen, die den entsprechenden Antrag einbrachte, begründet die spezielle Betroffenheit Bremens durch die Laufzeitverlängerung unter anderem mit den sechs AKW, die sich in einem Radius von 150 Kilometern um Bremen herum befinden. Esenshamm bei Bremerhaven, das eigentlich in zwei Jahren abgeschaltet werden sollte, hat nun eine Fristverlängerung bis 2020. Dass dies trotz eines aktuellen Gutachtens geschehe, das dem AKW unzureichende Sicherheitsvorkehrungen bei Hochwasser und Terroranschlägen attestiert, bezeichnet Schaefer als "unfassbar".

Am Vorabend der Bürgerschaftsdebatte hatte das Bundeskabinett sein Energiekonzept beschlossen, das auch die Laufzeitverlängerung um durchschnittlich zwölf Jahre beinhaltet. CDU-Fraktionschef Thomas Röwekamp, eigentlich als Anhänger des Röttgen-Lagers bekannt, interpretiert dies als "notwendige Justierung" des 2002 von Rotgrün ausgehandelten Atom-Konsens, gar als dessen "logische Fortsetzung". Die durch die Laufzeitverlängerung ermöglichten Gewinne seien unerlässlich, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben.

Doch gerade das Thema Gewinnaufteilung bringt die Grünen, die sich zur Debatte in Anti-AKW-T-Shirts gezwängt haben, auf die Palme: Dass von den prognostizierten 100 Milliarden Euro, die die Laufzeitverlängerung an Betreibergewinnen einbringe, nur 15 Milliarden für die erneuerbaren Energien abgeführt würden, sei skandalös - zumal von diesen 15 Milliarden auch noch etwaige Sicherheitsnachrüstungen der AKW abgezweigt würden.

Die zweite besondere Betroffenheit Bremens liegt in der Behinderung der Windenergie. Deren Ausbaugeschwindigkeit werde bis 2020 um ein Drittel reduziert, befürchtet Schaefer. Wenn die vorhandenen Leitungsnetze länger als 2002 beschlossen von Atomstrom geflutet werden, so der grüne Umweltsenator Reinhard Loske, würde Windenergie bei Vorrangeinspeise-Regelungen wohl den Kürzeren ziehen.

Insofern sei Kernenergie keine "Brücken-", sondern eine "Krückentechnologie", so Schaefer, deren unzureichende Risikobeherrschung insbesondere an der ungelösten Endlagerfrage deutlich würde: "Wer kann für 8.000 Generationen vorhersagen, dass der Müll sicher untergebracht ist?" Grundlage dieses Rechenexempels ist die Halbwertszeit von Plutonium, die bei 24.000 Jahren liegt.

Eben darum sei es ja so falsch, dass die Grünen die Gorleben-Erkundung behinderten, brachte sich Magnus Buhlert, der umweltpolitische Sprecher der FDP, in die Debatte ein: Man könne nicht die Endlager-Problematik beklagen und andererseits "Lösungen" verhindern. Die Linkspartei wiederum profilierte sich mit der Idee, alte Atomkraftwerke zu verstaatlichen, um sie anschließend abreißen zu können. "Diese Kosten müssen schon beim Betreiber bleiben", entgegnete Buhlert.

Auffällig sprachlos blieb die Opposition, gleich welcher Couleur, zum Thema Laufzeitklage. Umweltsenator Loske hingegen bekräftigte: "Wenn das Laufzeitverlängerungsgesetz ohne den Bundesrat zu Stande kommen soll, gehen wir definitiv vor das Bundesverfassungsgericht."

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