Internationale Konferenz in London: Jemen ist nicht nur al-Qaida

In London soll in nur zwei Stunden das Terrorproblem gelöst werden. Es wäre sinnvoller, sich mit den vielfältigen Konflikten des Landes zu befassen.

Arbeitslosigkeit und Armut bringen Terrorismus hervor, sagt der ehemalige jemenitische Regierungschef Abdel Karim al-Iriyani. : dpa

KAIRO taz | "Der Jemen ist ein Testfall für die internationale Gemeinschaft", ließ das britische Außenministerium im Vorfeld der internationalen Konferenz in verlauten. Sie soll sich am Mittwoch in London ganze zwei Stunden mit der instabilen Lage im Land an der Südspitze der Arabischen Halbinsel beschäftigen. 21 Minister und Regierungsmitarbeiter werden erwartet, darunter Vertreter der G-8-Länder, des Golfkooperationsrates GCC, der UNO, der EU, des IWF und der Weltbank. Der Jemen dürfe nicht länger "Brutstätte des Terrorismus" sein, steckte der britische Premier Gordon Brown das hohe Ziel.

Geht es nach der jemenitischen Regierung, soll der Fokus des Treffens auf Wirtschaftshilfe und dem Antiterrorkampf liegen. 50 Milliarden Dollar würden in den nächsten zehn Jahren benötigt, sagt der stellvertretende jemenitische Minister für Planung und Entwicklung, Hischam Scharaf, "um den Jemen von der Liste der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt nehmen zu können". Politische Reformen und Menschenrechte sollen nach dem Wunsch der Regierung von Präsidenten Ali Saleh nicht auf der Tagesordnung stehen.

Spätestens seit dem Weihnachtstag, als ein im Jemen ausgebildeter Attentäter versucht hatte eine US-Verkehrsmaschine zu sprengen, steht der seit 1978 amtierende Saleh unter enormem Druck aus Washington. Er versucht nun, internationale Unterstützung für den Kampf gegen al-Qaida zu erhalten, mit der er auch seine Stellung an anderen Fronten stärken kann. Im Norden hatte die Armee im Sommer eine Offensive gegen schiitische Huthi-Aufständische begonnen; im Süden gibt es eine Unabhängigkeitsbewegung.

Zumindest der Krieg gegen die Huthis könnte zu Ende gehen. Ihr Anführer, Abdul-Malik al-Huthi, kündigte am Montag eine Waffenstillstandsinitiative an. Bei der Separatistenbewegung im Süden rumort es dagegen immer stärker. Proteste vor dem Gebäude einer von der Regierung geschlossenen Zeitung in Aden führten zu einer Straßenschlacht mit der Polizei und danach zu einem Streik, um die Freilassung des Chefredakteurs zu erwirken. Der Süden fühlt sich, wie auch die Huthis, wirtschaftlich vernachlässigt und politisch von der Regierung an den Rand gedrängt.

An der Al-Qaida-Front vollbringt Saleh derzeit einen Drahtseilakt. Er muss die US-Regierung davon überzeugen, dass er es mit dem Kampf gegen al-Qaida ernst meint, gleichzeitig aber seiner skeptischen Bevölkerung beweisen, dass er keine Marionette Washingtons ist. Was aber derzeit genau an amerikanisch-jemenitischer militärischer Zusammenarbeit unterhalb einer direkten US-Militärintervention läuft, ist unklar.

Die Regierung verfolgt, mit mindestens technologischer US-Kooperation, eine Politik der gezielten Tötung von Al-Qaida-Kadern. Es gibt derzeit widersprüchliche Meldungen, wie erfolgreich diese Politik tatsächlich ist. Sie war schon einmal nach einem Anschlag auf das Kriegschiff "USS Cole" im Hafen von Aden im Jahr 2000 angewendet worden. Ein Jahrzehnt später hat sich die Gruppe aber offenbar von diesen Schlägen erholt. "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" hat nach dem gescheiterten Weihnachtsanschlag weitere Attentate angekündigt.

Saleh wird an der Politik der gezielten Tötungen festhalten. Ahmed Bin Ahmad al-Misri, Governeur der Ayban-Provonz, einer der Hochburgen al-Qaidas, schlägt zusätzlich vor, die Gunst jener Stämme zu kaufen, die derzeit im Hinterland den Al-Qaida-Kadern Gastrecht gewähren. Seine Rechnung ist einfach: Al-Qaida gibt den Stämmen finanzielle und praktische Unterstützung und versucht, ihre Mitglieder in die Stämme einzuheiraten, um ein verwandtschaftliches Band herzustellen. Der Staat müsse einfach mehr in diese Regionen investieren als al-Qaida, schlägt der Gouverneur vor.

Der ehemalige Regierungschef Abdel Karim al-Iriyani bringt diese Strategie auf den Punkt. Arbeitslosigkeit, fehlende Dienstleistungen und Armut brächten Terrorismus hervor, sagt er. Die internationale Konferenz solle sich mehr auf die Zukunft des Jemen als auf die gegenwärtige Krise mit al-Qaida konzentrieren.

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