Klamme Kommunen: Kein Platz für Kinder

Der Rechtsanspruch auf Kitaplätze ab 2013 sei nicht einzuhalten, urteilt der Städtebund. Die Wirtschaftskrise zwinge die Kommunen zu vielen drastischen Einsparungen.

In Essen werden Grundschulen geschlossen, in anderen Kommunen die Freibäder. Bild: ap

BERLIN taz | Jedes Kind, das älter als ein Jahr ist, hat ab 2013 Anspruch auf einen Kitaplatz. Das stehe zwar so im Gesetz, sei aber völlig unrealistisch, sagte am Montag Gerd Landsberg, der Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Er forderte die Bundesregierung auf, das Gesetz zu ändern und den Rechtsanspruch auf die Zeit nach 2013 hinauszuschieben. "Sonst verlieren die Kommunen später tausende Prozesse" gegen Eltern, die einen Platz für ihr Kind einklagen, so Landsberg.

Hintergrund des umstrittenen Ratschlags sind die Wirtschaftskrise und die Steuersenkungen der Bundesregierung, die die Städte finanziell empfindlich treffen. Nur mit Mühe können viele Gemeinden das Ziel einhalten, bis 2013 insgesamt 750.000 Plätze in Kindertagesstätten zu schaffen. So viele werden gebraucht, um 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren zu versorgen.

Diese Zahl galt lange Zeit als ausreichend, um den Rechtsanspruch einzulösen. Wie eine aktuelle Meinungsumfrage jedoch ergab, wünschen sich tatsächlich 66 Prozent der Eltern einen Kitaplatz. Mit Milliarden-Aufwand müssten die Städte und Gemeinden weitere 550.000 Kitaplätze einrichten - ein illusorisches Vorhaben, wie Landsberg meint. Hanno Schäfer, der Sprecher von Familienministerin Kristina Köhler (CDU), lehnte es am Montag ab, den Rechtsanspruch in Frage zu stellen. Plätze für 35 Prozent der Kinder würden ausreichen, sagte er.

Das Jahr 2009 haben die Gemeinden mit einem Defizit von rund 5 Milliarden Euro abgeschlossen. Der Grund war die Wirtschaftskrise - die Sozialausgaben stiegen, die Steuereinnahmen sanken. Und in näherer Zukunft werde die Lage nicht besser, befürchten die Stadtdirektoren. Von 2011 bis 2013 rechnen die Stadtverwaltungen mit einem jährlichen Fehlbetrag von 13 Milliarden Euro. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) beurteilt die Folgen der Wirtschaftskrise ähnlich dramatisch.

Angesichts dieser Lage schimpfte Landsberg: "Wir reden nur noch über Steuersenkungen." Schon das unlängst von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossene Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat der Städte- und Gemeindebund scharf kritisiert. Es beschert den Kommunen Einnahmeausfälle von rund 1,6 Milliarden Euro. Für weitere Steuersenkungen fehlt den Städtevertretern deshalb jedes Verständnis. "Sie bedrohen die Handlungsfähigkeit der Kommunen", sagte Christian Schramm, Bürgermeister der Stadt Bautzen.

Dabei ist die Lage nicht überall gleich schlecht. Städte wie Frankfurt am Main, die vom letzten Aufschwung profitierten, können noch eine Weile von den angelegten Polstern zehren. Von 2006 bis 2008 erwirtschafteten die Gemeinden einen Überschuss von insgesamt 19 Milliarden Euro. Wie Landsberg erklärte, werden diese Summen aber bei weitem nicht reichen, um die aktuellen und künftigen Einnahmeausfälle abzudecken.

Einerseits steigen deshalb die Schulden der Gemeinden. Andererseits sind sie gezwungen, Infrastruktur und Leistungen für die Bürger einzuschränken. Die nordrhein-westfälische Stadt Remscheid schalte bereits nachts die Straßenbeleuchtung größtenteils aus, sagt Schramm. In Essen würden Grundschulen geschlossen, in Duisburg erwärme man das Wasser der Schwimmbäder weniger als früher.

Zur Abhilfe fordert der Städte- und Gemeindebund, der im Gegensatz zum Städtetag eher die mittleren und kleinen Kommunen vertritt, nicht nur den Verzicht auf Steuersenkungen, sondern auch eine grundsätzlich bessere Finanzausstattung der Gemeinden. Der Gemeindelobbyist kann sich beispielsweise vorstellen, dass die Gewerbesteuer ausgedehnt wird. Heute zahlen diese unter anderem Industrieunternehmen. "Warum nicht auch Selbständige?", fragt Landsberg. Zahnärzte, Architekten und andere Freiberufler sind gegenwärtig von der Steuer befreit.

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