Kommentar Kopenhagener Verhaftungen: Selbstgebastelte Kriminelle

Der Polizei in Kopenhagen ging es vor allem darum, Eindruck zu machen und die Proteste zu schwächen. Deshalb auch die vielen Verhaftungen.

Es ist mitnichten eine großzügige Geste. Dass einige der in Kopenhagen inhaftierten Demonstranten kurz vor Weihnachten aus der Haft entlassen wurden, hat vor allem einen Grund: Die Festnahmen haben ihren Zweck bereits erfüllt.

Die Substanz der Vorwürfe ist dünn, ob es je zu Urteilen kommt, ist fraglich. Doch bei der exzessiv hohen Zahl an Festnahmen in Kopenhagen ging es nicht darum, Krawall zu ahnden. Den gab es nämlich so gut wie nicht. Es ging darum, einzuschüchtern und den Protest zu schwächen. Vor allem aber ging es darum, der Öffentlichkeit den Eindruck einer von den Aktivisten ausgehenden Bedrohung zu vermitteln. Und dazu mussten die martialischen Bilder der Massenverhaftungen produziert und Anklagen angekündigt werden.

Das genügt, um die Fiktion der "brutalen Demo-Gewalt" zu plausibilisieren - und den Ruf nach "härterem Durchgreifen" zu befeuern.

Das gilt auch für Deutschland. Man hätte hier die Uhr danach stellen können: Wegen der "extremen" und, natürlich, "zunehmenden" Gewalt müssten dringend schärfere Maßnahmen gegen "Reise-Chaoten" her, forderte postwendend die Polizeigewerkschaft: Einschränkung der Reisefreiheit etwa und Datenbanken für Demonstrierende. Beides gibt es längst.

Stets wird zu Gipfeln das Schengener Abkommen ausgesetzt, immer wieder die Reisefreiheit für politische Aktivisten eingeschränkt. Die Repression ist massiv. Das beweisen auch die langsam bekannt gewordenen Details über die Telefonüberwachung der Klimaaktivisten. Vergehen, mit denen der Staat diesen rechtfertigen könnte, gibt es jedoch kaum. Darum wird der zivile Ungehorsam in die Nähe krimineller Aktionen gerückt. Jenen, denen der Staat nie stark genug sein kann, kommt dies gerade recht.

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Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

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