Kanzlerin vor dem US-Kongress: Seelentrösterin Merkel

In Zeiten außenpolitischer Probleme ist es für die US-Regierung angenehm, sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an ein positives Ereignis zu erinnern: Den Fall der Mauer.

Vom Keller ins Obergeschoss der US-Demokratie: Kanzlerin Merkel zu Journalisten auf dem Kapitol in Washington. Bild: dpa

WASHINGTON taz | Helmut Kohl durfte nicht. Willy Brandt durfte nicht. Angela Merkel darf. Nach Konrad Adenauer wird sie am Dienstag die erste bundesdeutsche Regierungschefin sein, die vor beiden Häusern des US-Kongresses spricht. Hören wollen die Senatoren und Parlamentarier unter der weißen Kuppel des Kapitols von Angela Merkel zweierlei: Ein Bekenntnis zum vor sich hin schlummernden deutsch-amerikanischen Verhältnis und einen ordentlichen Schulterklopfer für das Zutun der USA zum Fall der Mauer.

Eines ist jedenfalls sicher: "Die Ehre, vor beiden Kammern des Kapitols zu reden, ist außerordentlich groß", sagt Stephen Szabo vom "German Marshall Fund" in Washington. Im penibel abgestuften Protokoll für ausländische Staatsgäste steht sie an oberster Stelle. Soweit oben, dass sie auch nicht Adenauer so ganz zuteil wurde. Er sprach nämlich 1957 lediglich nacheinander vor beiden Häusern.

Angela Merkel steigt auf: Vom Keller des Kapitols, in dessen gediegener Library of Congress sie im Juni den Preis der Atlantikbrücke für ihre Verdienste um die transatlantische Verständigung entgegennahm, hinauf ins Herz der amerikanischen Demokratie, den Sitzungssaal. Noch bevor sie zum ersten Mal als wiedergewählte Kanzlerin vor dem Bundestag spricht, darf sie auf Einladung der demokratischen Parlamentschefin Nancy Pelosi dort das Wort an die versammelte Mannschaft richten.

Merkel hat diese Einladung am Wochenende in einem Video-Podcast als eine "große Ehre" bezeichnet. Der Zeitpunkt - kurz vor dem 20. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November - könne nicht besser gewählt sein. Er ist nach Meinung von Szabo, Direktor der "Tranatlantic Academy" seines überparteilichen Thinktanks, der Grund, weshalb der Kanzlerin die Ehre dieser Rede zuteil wird. "In Zeiten, in denen in der amerikanischen Außenpolitik vieles schief gelaufen ist, ist es schön sich an etwas erinnern zu können, was wir gut gemacht haben." Den Amerikanern, die Merkel als integere, starke Frau sehr schätzten, sei schließlich auch gegenwärtig, dass sie eine Ostdeutsche sei. Ihr Lob für den Mauerfall tue der amerikanischen Seele gut.

Merkel hat den Amerikanern diesen Balsam bereits versprochen. Sie werde dafür Danke sagen, dass die USA und der damalige Präsident, George Bush senior, mit großer Begeisterung und viel Zuneigung diesen politischen Prozess begleitet hätten. "Die Vereinigten Staaten von Amerika haben der Bundesrepublik Deutschland geholfen, dass wir heute wiedervereinigt ein Partner in Europa und in der transatlantischen Gemeinschaft sind." Die Bundesrepublik sei ein verlässlicher und intensiver Partner der USA.

Gerade das, meint der Politologe Szabo, müsse die Kanzlerin bei ihrer Ansprache im Kongress unter Beweis stellen. "Für die US-Regierung ist sie momentan die wichtigste europäische Regierungschefin", sagt Szabo. "Die Briten sind es aufgrund ihres euro-skeptischen Kurses nicht, das Verhältnis zwischen Sarkozy und Obama ist nicht das beste: Amerika braucht Deutschland als starken Partner in Europa." Und dafür brauche es deutliche Worte von einer souveränen Kanzlerin - zur Strategie in Afghanistan ebenso wie zu möglichen Sanktionen gegen den Iran oder Merkels Herzensanliegen, zum Klima. "Sie spricht vor dem Kongress - dem eigentlichen Hindernis einer Wende der USA zum Klimaschutz. Dort muss sie daher unbedingt deutlich werden," meint Szabo und fügt hinzu: "Deutsche Politiker neigen immer noch dazu, zu zurückhaltend zu sein, wenn es darum geht, zu sagen, was sie meinen."

Die Kanzlerin sei klug genug zu wissen, meint Szabo, "dass ihre Rede vor dem versammelten Kongress ein Symbol dafür ist, was Deutsche und Amerikaner gemeinsam leisen können."

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