Wirtschafts- und Klimakrise: Investieren statt spekulieren

Wirtschaftswissenschaftler fordern ein 100-Milliarden-Programm für Klimaschutz. Nötig seien eine Börsenumsatz-Steuer und eine Zertifizierung nachhaltiger Investments.

Windradbauer Repower: Mit grünen Jobs aus der Krise. Bild: ap

BERLIN taz | "Wirtschafts- und Klimakrise müssen zusammengedacht werden. Denn gelöst können sie nur gemeinsam werden, nicht isoliert." Mit dieser Einschätzung stellte Carlo Jaeger am Montag in Berlin das Gutachten "Wege aus der Wachstumskrise" vor. Im Auftrag des Bundesumweltministeriums hatten sich das Kieler Institut für Weltwirtschaft, das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjukturforschung (IMK) sowie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) mit der Frage befasst, wieso in den vergangenen Jahrzehnten immer weniger Geld in die Wirtschaft - und immer mehr in die Finanzmärkte - investiert wurde. Ökonom Jaeger vom PIK: "Investments in Finanzprodukte zahlten sich viel eher aus als in die Produktivität." Das Ergebnis: die Finanz- und Wirtschaftskrise.

Die Ökonomen schlagen deshalb nun ein massives Investitionsprogramm für den Klimaschutz vor. "Werden in den nächsten drei Jahren 100 Milliarden Euro an der richtigen Stelle investiert, kann die Arbeitslosigkeit auf unter 2 Millionen gesenkt werden", so Gustav Horn, Chef des IMK. Dabei würden 30 Milliarden des Staates 70 Milliarden Euro auf dem privaten Sektor mobilisieren. Derzeit werde gerade einmal 1 Prozent des Gebäudebestandes energetisch saniert. Horn: "Erhöht man das auf 2 Prozent, gibt es weitreichende Konsequenzen auf dem Arbeitsmarkt, im Staatshaushalt und im deutschen Energiemix."

Allerdings, so die Ökonomen, müssten solche Investments flankiert werden. So schlagen die Experten etwa eine Börsenumsatzsteuer vor, um den automatisierten Börsenhandel, der in Millisekunden schwankende Kurse nutzt, auszutrocknen. Zudem sei eine Zertifizierung für nachhaltige Investments notwendig. Jaeger: "Es gibt genügend Anleger, die solche Produkte suchen." Die Regierung müsse Ziele für den Finanzmarkt formulieren, danach Instrumente und Pilotprojekte entwickeln, dann würden die Märkte auch in diese Richtung reagieren - hin zu einer nachhaltigeren Finanzwirtschaft. Dem Markt sei egal, ob er mit Staatsanleihen oder mit Produkten zur Energieeffizienz Geld verdiene.

"In der Politik besteht die Tendenz, die globale Finanzkrise lediglich als Betriebsunfall zu betrachten", so Jaeger, der eine Professur in Peking innehat. Er beobachte, dass in den USA und in China wesentlich entschlossener auf die Folgen des Crashs reagiert werde. "Ganz klar: Europa manövriert sich auf den absteigenden Ast."

Horn: "Im Koalitionsvertrag werden Fragen von gestern mit den Konzepten von vorgestern beantwortet." Horn forderte, Umweltsteuern zu senken, eine degressive Sonderabschreibung etwa im Gebäudebereich wieder einzuführen, um so eine schnellere Refinanzierung von Umweltinvestitionen zu erreichen. Eben weil der Staat "ein massives Ressourcenproblem hat", müsse privates Kapital mobilisiert werden. Und weil die "Steuer" von "steuern" käme, sei dieses Instrument erste Wahl.

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