Die EU-Verträge von Amsterdam, Nizza, Lissabon: Was bringt das dem Bürger?

Der Lissabon-Vertrag der Europäischen Union: Was ist das eigentlich? Und was passiert, wenn er nicht kommt? Fünf Fragen, fünf Antworten.

Lissabon: Schöne Stadt, komplexer Vertrag. Bild: dpa

1. Amsterdam, Nizza, Lissabon - warum tragen die EU-Verträge so komische Namen?

In der EU hat es sich eingebürgert, die Entscheidungen nach den Städten zu benennen, in denen sie zustande kamen. Zum Beispiel der sogenannte Schengen-Raum umfasst diejenigen Länder, die ihre Grenzkontrollen abgeschafft haben. Mit den "Römischen Verträgen" wurde 1957 die Union aus sechs Mitgliedstaaten gegründet. Diese Namenstradition hat zwei Gründe: Zum einen kann sich das Land, das bei der jeweiligen Entscheidung den Ratsvorsitz führte, mit dem Städtenamen verewigen. Zum anderen wird die Brisanz bestimmter politischer EU-Entscheidungen verschleiert. Der Versuch, mit einer "Verfassung für Europa" mehr Offenheit zu wagen, scheiterte.

2. In welchen Ländern ist die Ratifizierung blockiert?

Irland hat dem Vertrag in einer Volksabstimmung eine Absage erteilt. Die Wähler sollen nun durch zwei Zusatzprotokolle beruhigt werden, in denen ihre militärische Neutralität und ihre religiösen Grundüberzeugungen noch einmal garantiert werden. Ob sie auf dieser Grundlage im Herbst bei einem zweiten Referendum zustimmen, ist aber fraglich. Tschechien, das derzeit die Ratspräsidentschaft innehat, verschob die Abstimmung schon zum zweiten Mal. Wenn Parlament und Senat dem Lissabon-Vertrag zustimmen wollen, müssen beide Kammern mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit votieren. Der europaskeptische Präsidenten Václav Klaus müsste diese Entscheidung dann noch signieren. Sein polnischer Amtskollege Lech Kaczynski verweigert seine Unterschrift ebenfalls unter dem Lissabon-Vertrag und will erst das Ergebnis des zweiten Referendums in Irland abwarten.

3. Eine Europawahl nach den Regeln des Nizza-Vertrags - was bedeutet das?

Sollte der Lissabon-Vertrag in Kraft treten, wird das Parlament theoretisch auf 751 Sitze aufgestockt, tatsächlich werden es noch mehr. Bislang gab es 736 Parlamentssitze. Deutschland als größtes Mitgliedsland darf 99 Abgeordnete schicken, das kleine Malta nur 5. Denn die Länder, die Sitze hinzubekommen, dürfen Nachrücker schicken. Länder wie Deutschland, denen nach der Reform weniger Sitze zustehen, müssen aber keine Abgeordneten zurückrufen. Sie sind demokratisch für fünf Jahre gewählt, sagt der juristische Dienst des Europaparlaments. Kommissionspräsident José Manuel Barroso soll kommissarisch im Amt bleiben, bis eine neue Kommission berufen wird. So ist es im Lissabon-Vertrag vorgesehen. Der Vorschlag des Rats für die Besetzungen des Kommissionspräsidenten soll dann die Mehrheit des EU-Parlaments wählen. Doch die Mehrheit ist auf Grundlage des vorherigen Vertrags zustande gekommen. Eine Konstellation, die Rechtsexperten graue Haare bereitet.

4. Welche wichtigen neuen Regeln würde der Lissabon-Vertrag schaffen?

Der Rat wählt mit qualifizierter Mehrheit einen Präsidenten, der die Ratsgeschäfte auf die Dauer von zweieinhalb Jahren leitet. Seine Amtszeit kann einmal verlängert werden. Die halbjährlich wechselnde Ratspräsidentschaft wird abgeschafft. Der Rat ernennt einen Hohen Vertreter für Außenpolitik, der gleichzeitig dem Kreis der Außenminister und der Kommission angehört. Das EU-Parlament muss seine Berufung bestätigen. Generell wird das EU-Parlament noch stärker in wichtige Entscheidungen einbezogen. Parallel dazu entfällt im Rat die Hürde der Einstimmigkeit. Fortan soll es nur noch eine qualifizierte Mehrheit geben. Das betrifft vor allem die noch immer millionenschwere gemeinsame Agrar- und Fischereipolitik und die Einwanderungspolitik. Fragen, die den Arbeitsmarkt betreffen, sind davon aber ausdrücklich ausgenommen.

5. Was würde sich für die Bürger ändern?

EU-weit können mindestens eine Million Wähler ein Bürgerbegehren durchsetzen, das die EU-Kommission zwingt, ein Gesetz für ein Problem vorzuschlagen. Dennoch wird die EU künftig schwer durchschaubar bleiben: Das Gewirr an Kompetenzen bleibt bestehen. Gleichwohl würde die Reform die Union wieder handlungsfähiger machen, beispielsweise in der Außenpolitik und der gesteuerten Einwanderung. DANIELA WEINGÄRTNER

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