Eindrücke vom Auftakt der EM: Echt martialisch, Fußballkultur pur

Ex-Fußballprofi YVES EIGENRAUCH war kurz in Basel: Nicht um das Spiel zu sehen, sondern um Eindrücke zu sammeln. Und um darüber zu reden, wie bescheuert diskriminierendes Verhalten ist.

Ganz entspannt: Schweizer und Tschechische Fans auf der Straße. Bild: dpa

Jetzt hat sie begonnen, die Fußball-EM der Herren. Viele Deutsche werden diese Zeit wieder herbeigesehnt haben, wenngleich wahrscheinlich nicht so intensiv, wie es bei der WM vor zwei Jahren der Fall gewesen zu sein schien. Ich weiß jedenfalls, dass mich sowohl Weltmeisterschaften als auch Europameisterschaften nicht wirklich interessieren, obwohl ich natürlich auch das ein oder andere Spiel verfolgen werde.

Das liegt an dreierlei Umständen: Meine in frühen Kindheitstagen mit Auswahlmannschaften gemachten Erfahrungen; daran, dass ich 1996 beim EM-Endspiel im Londoner Wembleystadion im deutschen Fanblock zugegen war und ich aufgrund dessen durchaus nachvollziehen konnte, warum hier und da im Ausland vom Deutschen gerne das Bild der "hässlichen Fratze" gezeichnet wird (wobei dieses auch bei anderen Ländern gemacht werden könnte, aber bei der Geschichte!?). Und letztlich auch daran, dass mir das Drumherum bei der Nationalmannschaft etwas zu groß erscheint. Zu viel Medieninteresse, zu schöne Hotels. Mit ein wenig mehr Bescheidenheit ließe sich sicherlich auch recht guter Fußball spielen. Insofern teile ich auch nicht Dr. Zwanzigers Meinung, dass nur das bestmögliche Umfeld für die Spieler geschaffen werde. (Der DFB war ob der im Rahmen der EM recht hohen "Pflegekosten" seiner Spieler - die Rede war von 20 Millionen Euro - in die Kritik geraten.) Gerade in heutigen Zeiten wäre es wünschenswert, wenn die Nationalspieler ihre Popularität nutzten, um den Menschen zu vermitteln: Hochglanz ist nicht alles! Angefangen beim Fußballschuh, weitergehend über Zeitschriften und endend beim Auto. Doch dieses Problem, sollte es denn eins sein, existiert ja nicht nur in Deutschland, und auch nicht nur im Fußball, sondern in allen Arbeitsbereichen, in denen es in der Spitze um Wettbewerb, Konkurrenz und Leistung geht.

Was ich am Fußball klasse finde? Die Eindrücke, die man gewinnen kann! Ich war jedenfalls am Samstag in Basel. Fliegen musste ich über Zürich. Dort angekommen überlegte ich allerdings kurz, ob die EM wohl kurzfristig abgesagt worden sei. Von dem im eigenen Land anstehenden sportlichen Großereignis war am Flughafen nämlich wenig zu spüren. Etwas änderte sich die Situation auf der Fahrt mit dem Zug nach Basel. An manchen Haltestellen stiegen Schweizer Fans dazu, jedoch meiner Empfindung nach recht wenig. Wir hatten doch schon 11 Uhr; wo mochten all die begeisterten Fußballfans nur sein? Doch am Hauptbahnhof angekommen, sah ich sie dann zum ersten Mal. Grüppchen standen vor dem Bahnhofsgebäude und tranken ihr Wasser oder ihr Bier, andere zogen in Richtung Innenstadt zur Fanmeile. Und das alles ganz gesittet, ohne großen Lärm zu erzeugen oder Abfall zu hinterlassen. Ganz genau so, wie ich es mir vorstellte, dass es in der Schweiz funktioniere.

Um später meinen Zug zurück zum Flughafen zu bekommen, ging ich gegen viertel nach zwei in Richtung Bahnhof. Und siehe da, was war denn da in den vergangenen zwei Stunden geschehen? Die Straßen und der Bahnhofsvorplatz waren auf einmal voller Fußballfans, vornehmlich rot-weiß gekleideter. Doch auch mehrere Gruppen tschechischer Fans und Fantrikots anderer Länder waren auszumachen. Recht beeindruckend, dachte ich mir. Gemeinsam ziehen sie von dannen, um gleich ausgelassen ein Spiel zu feiern…

Tschechischer Fan. Bild: dpa

…um mir kurz darauf wieder darüber klar zu werden, warum ich Fußball nur "hin und wieder" ganz nett finde. "Was ein Scheiß", dachte ich mir nun. Einige Leute schienen schon recht angetrunken, ließen ihre Biergläser oder Flaschen auf die Straße fallen. Kein schönes Bild. Und dann erst die Gesänge, insbesondere unmittelbar nach Ankunft der Fans im Bahnhof, als sollten diese allen klarmachen: Schaut her, wir sind jetzt da, wir sind eine Macht. Echt martialisch, Fußballkultur pur! Oder? Die Fernsehteams freuten sich jedenfalls bestimmt, als eine etwas größere Gruppe tschechischer Fans - es mögen so an die zwanzig gewesen sein - ausstieg und vor den laufenden Kameras laut singend und wild gestikulierend vorbeizog. Mir erschienen ihre Gesichtszüge jedenfalls ähnlich unangenehm wie die eingangs beschriebenen "hässlichen deutschen Fratzen". Das war nicht meine Welt.

Aber warum war ich in Basel, obwohl ich mir das Eröffnungsspiel nicht anschaute? Die Uefa und Fare (Football Against Racism in Europe) hatten geladen; vorgestellt wurden die Aktivitäten, die auch im Rahmen dieser EM die Besucher dazu anregen sollen, darüber nachzudenken, wie bescheuert diskriminierende und rassistische Verhaltensweisen sind. So wurde ein Spot präsentiert, der bei allen Spielen der EM in den Stadien gezeigt wird (und im nächsten Jahr bei den Champions-League-Spielen). Sie waren gekommen: Pressevertreter und wichtige Vertreter aus Politik und Sport. Schön! Es gab unter anderem ein kurzes Gespräch mit ehemaligen Spielern: Ramon Vega, Paul Elliott, Anthony Baffoe und mir. Hoffentlich erreicht die Message "Unite Against Racism" viele!

Zum Sport: Viel habe ich von dem ersten Spieltag der EM nicht gesehen. Am Flughafen Zürich konnte ich unmittelbar vor dem Rückflug die ersten 15 Minuten des Spiels Schweiz gegen Tschechien verfolgen. Das sah ganz nett aus. Sehr engagiert, zum Teil übermotiviert. Schade, dass die Schweiz das Spiel verloren hat - so ungerecht kann Fußball sein. Aber was ist auch schon gerecht? Von der weiteren Partie habe ich außer dem Ergebnis nichts mitbekommen. Nur im Radio hörte ich davon, dass der Sieg Portugals durchaus verdient gewesen sei. Und die deutsche Nationalmannschaft? Die spielte gestern, lange nachdem ich diesen Text verfasst hatte. Was bleibt ihr zu wünschen? Ein Sieg natürlich! Denn dann lebt es sich für meine "KollegInnen" vom antirassistischen Jugendbildungsprojekt "dem ball is egal, wer ihn tritt!", die in Klagenfurt mit einer Streetkick-Anlage unterwegs sind, einfacher. Oder auch nicht? Klack klack klack, SIEG!

Abschließend noch eine Anmerkung: Solange ich unter Menschen weile, die an ihrem Handgelenk Schmuck für eine Summe Geld tragen, von der meine Familie prognostizierte zwei Jahre leben könnte, so lange hat der Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus für mich auch einen leichten, faden Beigeschmack. Business as usual halt!

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