Gewinneinbruch bei Siemens: Wenn die Staatsanwälte klingeln

Folgekosten der Schmiergeldaffäre, eine fehlkonstruierte Straßenbahn und Verzögerungen bei Kraftwerkprojekten: Bei Siemens ist der Gewinn um zwei Drittel eingebrochen - mit Folgen.

Der Finanzvorstand der Siemens AG präsentierte die traurige Bilanz für das erste Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres. Bild: dpa

Siemens ist einer der größten und ältesten Konzerne der Welt – 400.000 Mitarbeiter arbeiten derzeit in dem 150 Jahre alten Technikriesen, der vom US-Wirtschaftsmagazin "Fortune" auf Platz 28 der weltgrößten Unternehmen gelistet wird. Bei solch beinahe biblischen Dimensionen und ähnlich großen Problemen ist es wohl nicht vermessen, den Propheten Hesekiel zu Wort kommen zu lassen. "So spricht der Herr: Siehe, es kommt ein Unglück über das andere!" Genau so ergeht es Siemens inzwischen. Seit am 15. November 2006 zum ersten Mal die Staatsanwälte klingelten, wird es immer schlimmer für den Konzern mit Sitz in München.

An diesem Mittwoch wurden die Zahlen des zweiten Geschäftsquartals vorgelegt – und sie sind übel: Um zwei Drittel ist der Gewinn auf 412 Millionen Euro eingebrochen. Der Grund: Verzögerungen bei Kraftwerksprojekten, Belastungen aus der fehlkonstruierten Straßenbahn "Combino" – und die Folgekosten der Schmiergeldaffäre. Und auch die weitet sich immer weiter aus. Zwar gibt es noch keine neuen Zahlen – 1,3 Milliarden Euro Schwarzgeld sind bisher bekannt – aber am Vortag hatte die Kanzlei Debevoise & Plimpton ihren Zwischenbericht vorgelegt.

Die Anwälte sind von Siemens mit den Ermittlungen beauftragt und haben fest gestellt, dass der ganze Konzern ein einziger Schwarzgeldsumpf war. In nahezu allen untersuchten Geschäftsbereichen und in zahlreichen Ländern hätten die Anwälte "Belege für Fehlverhalten im Hinblick auf in- und ausländische Anti-Korruptionsvorschriften gefunden", teilte Siemens mit. Auch hätten viele Vorstände Kenntnis gehabt von den illegalen Machenschaften. Namen wollte Siemens aber nicht nennen; es gelte trotz diverser Indizien die Unschuldsvermutung. Geprüft wurden von Debevoise & Plimption die Siemens-Geschäfte zwischen 1999 und 2006. Wann der Abschlussbericht mit einer gesamten Schmiergeldbilanz vorgelegt wird, konnte Löscher am Mittwoch nicht sagen.

"Ganz klar hatte ich dieses Ausmaß und die Breite nicht vor Augen, als ich meine Verantwortung übernommen habe", erklärte Löscher auf die Frage nach dem immer größer werdenden Umfang der Siemens-Probleme. Verursacht hat die Probleme wohl hauptsächlich das Management seines Vorvorgängers Heinrich von Pierer, auch wenn er ihn gestern nicht namentlich belasten wollte. Hinter verschlossenen Türen überlegt Siemens jedoch inzwischen, ob ihr alter Chef Schadenersatz leisten soll.

Und auch die Münchner Staatsanwaltschaft hat Vorermittlungen gegen von Pierer aufgenommen, in der kommenden Woche sollen erste Ergebnisse bekannt gegeben werden. Das Leid teilen wollen sich die alte und die neue Führung jedoch nicht. "Wir sprechen mit der Staatsanwaltschaft über Siemens-Angelegenheiten und Herr von Pierer spricht über seine eigenen Angelegenheiten", sagte ein krätziger Peter Solmssen, der im Siemens-Vorstand für die Aufklärung der Schmiergeldskandale zuständig ist.

Als Reaktion auf den Gewinneinbruch gibt’s noch weitere schlechte Nachrichten, diesmal für die Mitarbeiter: Bis 2010 sollen über eine Milliarde bei Vertrieb und Verwaltung eingespart werden, kündigte Siemens-Chef Peter Löscher an. Und auf Nachfrage gab's die Bestätigung für das, was sich jeder denken kann, wenn soviel Geld in so kurzer Zeit eingespart werden soll: "Es wird ganz klar zu einem Personalabbau kommen." Wann wie viele Leute gehen müssen, wollte Löscher nicht sagen. Erst im Februar hatte Siemens angekündigt, 7.000 Stellen in der Telekommunikationssparte zu streichen. Und noch eine Hiobs-Botschaft gab’s von Löscher mit Blick auf die künftige Geschäftsentwicklung: "Wir gehen davon aus, dass die Folgen der Finanzkrise in kommenden Geschäftsjahr deutlicher im Realgeschäft ankommen werden." Oder anders gesagt: "Wir sehen Bremsspuren im Breitengeschäft."

Immerhin ein paar Lichtblicke konnte Löscher dann doch vermelden: Der Umsatz im ersten Quartal ist um zwei Prozent auf 18,1 Milliarden Euro gewachsen. Derzeit gebe es auch 3.200 offene Stellen, die zum Teil mit den gefeuerten Kommunikationstechnikern besetzt werden könnten, wie Löscher betonte. Und der Auftragseingang habe um 12 Prozent auf 23 Milliarden Euro zugelegt. Das zeige, dass das Vertrauen der Kunden nicht beeinträchtigt sei, erklärte Löscher. Beinahe trotzig fügte er hinzu: "Saubere Geschäfte immer und überall, das ist unser Anspruch und das wird von unseren Kunden auch honoriert!" Und so bleibt Löscher bei allen schlechten Nachrichten dann doch bei einer sportlichen Ergebnisvorgabe: "Wir erwarten, dass der Umsatz von Siemens im Geschäftsjahr 2008 organisch doppelt so schnell wachsen wird wie das Welt-Bruttoinlandsprodukt."

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