Ausbau des Stromnetzes: Glos will Bürgerbeteiligung beschneiden

Für die dringend notwendige Erweiterung der Stromnetze will Bundeswirtschaftsminister Michael Glos die Beteiligung der Bürger am Planungsverfahren beschneiden.

Strommasten-bald schneller in Ihrem Vorgarten? Bild: dpa

BERLIN taz Das Bundeswirtschaftsministerium plant ein neues Gesetz zum Ausbau der Stromnetze. Kernpunkt der Gesetzesinitiative ist die Beschneidung der Bürgerbeteiligung. Die Verkürzung des Rechtsweges soll für Stromleitungen gelten, deren Bau durch das "Integrierte Energie- und Klimaprogramm" der Bundesregierung als "dringlich" eingestuft hat. Als Hauptgrund für den schleppenden Netzausbau wird das langwierige Planungsverfahren bezeichnet. Künftig soll nur noch eine Instanz zuständig sein - entweder ein Oberverwaltungsgericht oder das Bundesverwaltungsgericht. Der Gesetzentwurf soll im Mai ins Kabinett.

"Das Planungsrecht ist sicher ein Grund", erklärt Uwe Leprich, Professor am Institut für Zukunfts-Energiesysteme. Es gebe aber noch einen wichtigeren: "Es gibt keinen Anreiz für die vier großen Stromkonzerne, in die Netze zu investieren." Das bestehende Netz reiche aus, um den Strom von Eon, RWE, Vattenfall und EnBW zu verteilen. "Warum also Konkurrenz zulassen?"

Um den Netzausbau voranzutreiben, müsse das Bundeswirtschaftsministerium deshalb seinen Widerstand gegen die Entflechtung aufgeben. Die EU will erreichen, dass die Stromnetze nicht mehr in der Hand der Produzenten liegen, um so mehr Wettbewerb zu ermöglichen. "Ein unabhängiger Netzbetreiber hat ein Interesse daran, Netze optimal zu konfigurieren, um allen Marktteilnehmern beste Anschlüsse zu ermöglichen", so Leprich. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sei ursprünglich auf dem richtigen Weg gewesen, bevor ihn die Lobbyisten wieder davon abgebracht hätten. Leprich: "Für den Netzausbau muss die Entflechtung kommen - und sie kommt."

"Natürlich ist die Bürgerbeteiligung wichtig", erklärt Wolfgang Irrek vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie. Nach wie vor seien etwa die Untersuchungen zum Elektrosmog nicht eindeutig. "Wo Strom fließt, entstehen elektromagnetische Felder, und besonders große Strommengen in Hochspannungsleitungen erzeugen besonders große Felder - den so genannten Elektrosmog." Bislang konnten wissenschaftliche Arbeiten noch nicht den Verdacht entkräften, dass dieser Elektrosmog krebsfördernd ist. "Deshalb müssen betroffene Bürger Möglichkeiten haben, sich gegen eine Hochspannungsleitung durch ihren Garten zu wehren."

Bodo Ramelow, Vizefraktionschef der Linken im Bundestag, weist darauf hin, dass der Gesetzentwurf nicht nur auf Beteiligungsrechte von Bürgern und Naturschutzverbänden zielt. "Auch die Mitbestimmungsrechte der Gebietskörperschaften werden geschwächt." Auch Ramelow ist dafür, die Multis zu entflechten, statt "die Monopolwirtschaft im Energiesektor durch den Abbau von Rechten weiter zu zementieren".

Ganz so einfach ist es nicht: Die Bundesnetzagentur hatte im Januar einen Netzausbaubericht präsentiert. Demnach sind die langwierigen Planungsprozesse tatsächlich oft dafür verantwortlich, dass "vom Netzbetreiber vorgesehene Investitionen nicht realisiert werden", so eine Sprecherin. Zum Beispiel die so genannte Südwestkuppelleitung von Halle nach Schweinfurt: Vattenfall und Eon wollen das 2006 angekündigte Projekt bis 2010 fertig stellen. Der Zeitplan ist nicht zu halten, die Erörterung zum Raumordnungsverfahren steht noch aus.

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