Kommentar Peru: Machtfülle lädt zum Missbrauch ein

Ex-Präsident Fujimori steht in Peru vor Gericht. Der Prozess könnte eine Warnung sein vor Machtmissbrauch - auch an die Nachbarländer.

Dass gestern in Lima - nach langem Hin und Her - der Prozess gegen Perus ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori begonnen hat, ist zunächst einmal ein Erfolg. Weit über Peru hinaus macht er deutlich, dass auch ehemalige Regierungschefs nicht sicher sein dürfen, mit Gesetzesverstößen während ihrer Amtszeit straffrei davonzukommen. Der Prozess könnte daher ein Musterbeispiel für die rechtsstaatliche Aufarbeitung von Willkürherrschaft bieten - oder aber zur Farce geraten.

Jene Machtfülle, die Fujimori sogar Morde verantworten ließ, war ihm von der peruanischen Bevölkerung anfangs begeistert gewährt worden. Der alten Regierung unter dem - inzwischen wieder regierenden - Alan Garcia überdrüssig, wählten die Peruaner Fujimori 1990 ins Amt, sie duldeten seinen späteren Quasi-Putsch und die Entmachtung des Parlaments. Fujimoris einstiger Konkurrent, der zum Marktliberalen gewendete Schriftsteller Mario Vargas Llosa, geißelte Fujimoris System als "Diktatur". Doch dieses System entstand in Reaktion auf Ineffizienz, Korruption und Gewalt unter der Herrschaft der traditionellen Parteien. So haftet dem Verfahren gegen Fujimori - wie es Strafprozessen gegen ancien regimes eigen ist - der Geruch an, nicht nur Verbrechen ahnden, sondern auch Geschichte entsorgen zu wollen.

Wenn sich Perus Justiz verantwortungsbewusst zeigt, wird sie sich der Versuchung zu erwehren wissen, das Verfahren in einen populistischen Schauprozess zu münzen. In diesem Fall könnte das Verfahren dazu dienen, all jenen eine Warnung zu sein, die bereit sind, demokratische Grundrechte zu Gunsten "durchgreifender" Anti-Establishment-Führer aufzugeben, die in Lateinamerika immer mal wieder die Szenerie betreten.

In Bolivien und Ecuador etwa, wo derzeit auch über neue Verfassungen debattiert wird, täte man gut daran, sich an den Machtmissbrauch im Nachbarland zu erinnern. Bewusstsein für die Bedeutung von Checks and Balances dürfte auf Dauer wichtiger sein als die Frage, ob Fujimori für seine Untaten in Peru nun zu einer harten Strafe verurteilt wird oder nicht.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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