Vor Wahlen in Australien: Howard gegen "Howard Light"

In Australien kann es am Samstag zu einem Machtwechsel kommen. Umfragen zufolge wird die oppositionelle Laborpartei den langjährigen konservativen Premier ablösen.

"Eine neue Regierung ist kein Weihnachtsgeschenk": Premier John Howard Bild: dpa

CANBERRA taz "Eine neue Regierung ist kein Weihnachtsgeschenk, das man am Tag danach wieder in den Laden zurück bringen kann, wenn es einem nicht gefällt". Mit diesen Worten warnte der australische Premierminister John Howard seine Landsleute davor, am Samstag bei den Parlamentswahlen "einfach so" die Regierung zu wechseln. Der fast verzweifelte Ton seiner Stimme war ungewöhnlich für einen Mann, der das Land seit über elf Jahren mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein regiert. Seit Monaten sagen die Meinungsumfragen, die Ära Howard werde zuende gehen. Selbst die Wettbüros deuten auf einen klaren Sieg von Labor-Oppositionsführer Kevin Rudd hin.

Trotzdem rechnet Rudd nicht mit einem leichten Sieg. Labor muss zusätzliche 16 Sitze im 150 Sitze zählenden Repräsentantenhaus gewinnen, um die Regierung stellen zu können. Eine Umfrage auf der Strasse zeigt auch, dass viele Australierinnen und Australier keineswegs davon überzeugt sind, dass es Zeit ist für einen Wechsel ist. "Howard hat einen guten Job gemacht. Warum etwas ersetzen, das nicht kaputt ist?", meint Mick Carter, ein Bulldozerfahrer. Er spricht für viele, die Howards Behauptung glauben, die seit 16 Jahren anhaltende Aufwärtsentwicklung der Konjunktur sei das Ergebnis seiner "verantwortungsbewussten Reformpolitik".

Howard führte mit seiner liberal-konservativen Regierungskoalition seit 1996 den von Labor begonnenen wirtschaftlichen Reformierungsprozess weiter. Er schaffte es bald, das Haushaltsbudget in die schwarzen Zahlen zu bringen. Die Zahl der Arbeitslosen ist heute auf einem Rekordtief. Doch oft schien die Triebkraft seiner Politik pure Ideologie zu sein. Handelsschranken wurden ohne Rücksicht auf die einheimische Industrie abgebaut, Staatsbetriebe radikal privatisiert und die Macht der Gewerkschaften drastisch beschnitten.

Kritiker argumentieren, der 68jährige Howard habe eine ideale Zeit zum Regieren gehabt. Kaum im Amt, begann im Vorfeld der Olympischen Spiele von 2000 in Sydney ein beispielloser Immobilienboom. Dann kam die grösste Rohstoffhausse der Geschichte. Australien erzielt Rekordpreise für Kohle und Eisenerz. Ein Ende des Booms ist nicht abzusehen. Zusätzlich wurde die Binnenwirtschaft von einem Konsumrausch angetrieben. Der Wohlstand der Durchschnittsbevölkerung stieg deutlich an. Zumindest auf dem Papier: Australier kaufen auf Pump. Der durchschnittliche Haushalt ist zu 160 Prozent seines Einkommens verschuldet. Und die Zinsen steigen.

Australier sind konservativ und mögen generell keine Veränderungen - schon gar keine radikalen. Darin sieht Howards Herausforderer Kevin Rudd seine Chance. Der 50jährige ehemalige Diplomat scheint sich nicht groß vom Ministerpräsident zu unterscheiden - er ist ein "Howard Light", wie Beobachter meinen. Rudd bezeichnet sich als wirtschaftlich und fiskalpolitisch konservativ und unterstützt die Allianz mit Washington. Doch in Rudds Version von Marktwirtschaft müssen sozial Schwächere unterstützt und gefördert und nicht ausgegrenzt werden. Die traditionelle Freundschaft Australiens mit den USA bedeutet in Rudds Philosophie nicht unbedingt, "dass man automatisch alles mitmacht". Das heisst: stufenweiser Rückzug der Truppen aus Irak unter einem Premier Rudd.

In manchen Punkten unterscheidet sich der Herausforderer deutlich vom Amtsinhaber. Rudd hat versprochen, im Falle des Wahlsieges die "extremsten Arbeitsgesetze der Welt" abzuschaffen, die der Premier vor einem Jahr ohne Vorwarnung eingeführt hatte. Laut der Regierung sollten Arbeitgeber und -nehmer die Form ihrer Zusammenarbeit weitgehend selber festlegen können - "als gleichberechtigte Partner" und ohne Einbeziehung der von Howard gehassten Gewerkschaften. Bald wurde klar, dass Arbeiter zu tausenden Rechte verloren und massive Gehaltseinbussen erlitten. Kommentatoren sehen in der Einführung der Gesetze den Schritt, mit dem Howard in seinem Liberalisierungsprogramm zu weit gegangen ist. Die Massnahme könnte am Samstag ausschlaggebend werden.

Während Aussenpolitik im Wahlkampf praktisch keine Rolle spielte, wurde der Klimawandel zu einem immer wichtigeren Thema. Wegen seiner Abhängigkeit von Kohle und einem notorisch schlechten Umweltbewusstsein gehört Australien zu den grössten Erzeugern von Treibhausgasen auf dem Globus. Trotzdem weigert sich Howard, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren. Er will ein "Nachfolge-Protokoll" zu Kyoto ausarbeiten, an dem sich auch Schwellenländer wie China beteiligen sollen. Nur so könne eine wirtschaftliche Benachteiligung der energieintensiven australischen Wirtschaft ausgeschlossen werden. Rudd dagegen würde im Falle des Wahlsieges Kyoto ratifizieren und Milliarden in die Entwicklung erneuerbarer Energien stecken.

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