Kommentar "Arche de Zoé": Frankreichs humanitäre Verwirrung

Eine tiefgreifende Verwirrung über Moral und Justiz hat Frankreich ergriffen. Auslöser: die Affäre um die dubiose Hilfsorganisation "Arche de Zoé" und das Drama Darfur.

Eine "Hilfsorganisation", die vermeintliche Waisenkinder aus dem Tschad entführt. Ein Präsident, der seine Staatsgeschäfte unterbricht und mit seinem Flugzeug zwischen Paris und dem Tschad pendelt, um seine der Entführung angeklagten Staatsbürger zu evakuieren. Franzosen, die für die mutmaßlichen Entführer auf die Straße gehen. Das sind Anzeichen einer tiefgreifenden Verwirrung über moralische und juristische Fragen, die Frankreich ergriffen zu haben scheint.

Die Affäre um die dubiose Hilfsorganisation "Arche de Zoé" ist nicht zu verstehen, ohne das Drama in Darfur als Hintergrund zu sehen. In Frankreich wird den Bewohnern der sudanesischen Krisenregion größte Sympathie entgegengebracht, mehr als allen Afghanen, Irakern oder Palästinensern im belagerten Gazastreifen zusammen. Im französischen Präsidentschaftswahlkampf war das Drama in Darfur das wichtigste internationale Thema. Pariser Philosophen und Verteidiger des "Rechts auf humanitäre Einmischung" organisierten im März ein großes Meeting, an dem alle Präsidentschaftskandidaten teilnahmen. Alle verpflichteten sich, nach der Wahl für Darfur einzutreten.

Ton und Inhalt der französischen "Rettet Darfur"-Kampagne stammen aus den USA. Dort hat Präsident Bush das Stichwort vom "Genozid" ausgegeben. Eine mächtige Koalition, der zahlreiche christliche NGOs angehören, behauptet, dass dem Konflikt in Darfur bereits 400.000 Menschen zum Opfer gefallen seien, der dort angeblich zwischen arabischen und schwarzafrikanischen Bevölkerungsgruppen tobt. Tatsächlich dürfte die Opferzahl bei etwa der Hälfte liegen. Und tatsächlich erklären auch fast alle NGOs, die vor Ort aktiv sind, dass es zwar massive Verfolgungen gebe, aber von einem Genozid in Darfur keine Rede sein könne. Auch ist längst klar, dass die Massaker nicht entlang ethnischer Linien verlaufen, sondern mit wirtschaftlichen Interessen zusammenhängen.

Die emotionale Färbung der Darfur-Debatte hat das nicht beeinflusst. Nicolas Sarkozy hat das Engagement für Darfur zum zentralen Thema seiner Afrika-Politik erklärt. Sein Außenminister Bernard Kouchner, der schon früher stets für das "Recht auf humanitäre Einmischung" eingetreten ist, hat Darfur an die Spitze seiner Agenda gestellt. Vor diesem Hintergrund erklärt es sich, warum so vielen Franzosen das Engagement der "Arche de Zoé", die angeblich bedrohte Waisenkinder aus Darfur "retten" wollte, wie eine nationale Aufgabe erschien. Ein naiver Interventions-Diskurs ebnete den Kreuzrittern der humanitären Sache den Weg. DOROTHEA HAHN

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