Debatte UN-Schutztruppe im Tschad: Keine Lösung für Darfur

Der UN-Sicherheitsrat schickt eine neue Schutztruppe in die Nachbarländer des Sudan, um die Not der Menschen dort zu lindern. Doch das Mandat der Truppe ist zu schwach.

Der UN-Sicherheitsrat hat vergangene Woche eine Resolution entschlossen, mittels deren dem Grauen in der sudanesischen Region Darfur ein Ende bereitet werden soll. Demnach sollen Polizisten, Verbindungsoffiziere und Zivilisten zu dem Einsatz "Minurcat" entsandt werden, um im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik für politische Ruhe zu sorgen. So sollen sie die schon bestehende UN-Mission im Sudan unterstützen. Doch so, wie Minurcat gestaltet ist, wird auch dieser Einsatz den gequälten Menschen nichts nutzen.

In Darfur werden noch immer Dörfer niedergebrannt, Männer umgebracht, Frauen vergewaltigt. Täter sind fünf bis acht Milizionäre mit sehr unterschiedlichen Zielen. Manche richten sich gegen die sudanesische Regierung, manche stützen diese Regierung, und wieder andere kämpfen gegen die Regierung des Tschads. Die Lage ist unübersichtlich. Seit 2003 sind über 250.000 Menschen in Darfur gestorben, über zwei Millionen Menschen mussten fliehen. Wer ins Nachbarland Tschad geflohen ist, fand sich erneut bewaffneten Horden ausgesetzt, die keinen Deut besser waren als die, vor denen sie geflohen waren.

Es muss dringend etwas geschehen, um der brutalen Gewalt und dem massenhaften Sterben in der Region ein Ende zu machen. Die beteiligten Regierungen zeigen sich dazu unfähig oder unwillig. Aber ob es der Truppe von UN und EU gelingt, zumindest im Tschad für den Schutz der Menschen zu sorgen, muss sich erst noch erweisen. Die Skepsis der Betroffenen gegenüber der angekündigten Truppe ist mindestens so groß wie ihre Hoffnung.

Wenn der derzeitige Präsident des UN-Sicherheitsrates, der Kongolese Pascal Gayama, ankündigt, im Rahmen der Mission werde eine neue tschadische Polizeieinheit geschaffen, die für Recht und Ordnung in den Flüchtlingslagern sorgen soll, dann klingt das für Kenner der Situation wie eine Drohung. Polizei gibt es im Tschad bereits, aber sie schikaniert die Bevölkerung, statt sie zu schützen. Nicht mehr Polizei braucht dieses Land, sondern besser ausgebildete, ausgerüstete und bezahlte Polizisten, unterstützt durch eine funktionierende Justiz.

Hilfsorganisationen haben bereits darauf hingewiesen, dass nicht die Lager problematisch sind. Die Bedrohungen kommen von außen. Ganz oben auf der Wunschliste der vor Ort tätigen Hilfsorganisationen steht die Sicherung der Grenzen. Die Kämpfenden müssen davon abgehalten werden, nach Belieben die Grenzen zu überschreiten. Denn so können sie sich bei ihren jeweiligen Unterstützern mit Nachschub versorgen. Mit chinesischen Handfeuerwaffen aus dem Sudan oder Maschinengewehren russischer Bauart aus dem Tschad oder Libyen. Dieses unselige Hin und Her wird weitergehen, auch unter den Augen der neuen Mission von EU und UN.

Denn ausgerechnet die Sicherung der Staatsgrenzen liegt nicht ihrem Mandat. Und es sieht auch nicht danach aus, als würde der tschadische Präsident einer Ausweitung dieses Mandats zustimmen. Idriss Déby ist Zaghawa und damit Angehöriger einer Volksgruppe, die auf beiden Seiten der Grenze von Tschad und Sudan siedelt und die im Darfur Konflikt eine wichtige Rolle spielt. Er hat kein Interesse an einem verschärften Grenzregime. Und Déby hat es bisher immer verstanden, die Interessen der Franzosen und der USA für sich auszunutzen. Vor allem, seit die staatliche Ölfirma Chinas Konzessionen für sieben Ölfelder im Südosten und Norden des Tschads erworben hat, sind Washington und Paris alarmiert.

2 Milliarden US-Dollar sind für die gesamte UN-Mission im Darfur veranschlagt. Wenn dieses Geld gut angelegt sein soll, dann muss sie zu einer politischen Lösung der Krise beitragen. Das geht nur, wenn sie eine umfassende zivile Komponente hat. Sie muss dafür sorgen, dass die Zivilgesellschaft Luft zum Atmen bekommt. Ein breites Bündnis von Gruppen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen hat mit dem "Appell zu Frieden und Versöhnung" einen Fahrplan zum Übergang zu demokratischen Verhältnissen vorgelegt. Sie fördern einen nationalen Dialog unter Einbeziehung aller Konfliktparteien. Präsident Déby torpediert dieses Vorhaben durch eigene Initiativen, die aber ausschließlich der Wahrung seiner Interessen dienen. Erst im August machte er den politischen Parteien ein paar Zugeständnisse und verschob dafür die anstehenden Parlamentswahlen um zwei Jahre auf 2009. Für diesen politischen Schachzug wurde er vom Präsidenten des UN-Sicherheitsrates ausdrücklich gelobt. Armer Tschad!

Die EU-Truppe wird etwa zur Hälfte aus Franzosen bestehen, Befehlshaber wird ein Franzose sein. Das führt zu dem Eindruck, dass es in Wirklichkeit darum geht, den unter großen Druck geratenen Präsidenten zu stützen. Die Franzosen haben dem tschadischen Präsidenten Déby schon mehrfach, auch militärisch, aus größter Not geholfen, seit er sich 1990 an die Macht geputscht hat. Schon in normalen Zeiten sind etwa tausend französische Soldaten und einige Militärflugzeuge im Tschad stationiert. Sie unterstützten in der Vergangenheit die tschadische Armee bei der Sicherung der Grenzen des Landes. Wieso ausgerechnet weitere französische Soldaten mit eingeschränktem UN-Mandat da eine Verbesserung bringen sollen, ist nicht einleuchtend.

Und noch ein Aspekt wird kaum beachtet. Der Tschad ist der bevorstehenden UN-EU-Mission nicht gewachsen. Die Infrastruktur des Landes ist katastrophal unterentwickelt - keine tausend Kilometer Teerstraßen gibt es in diesem Land, das dreimal größer ist als Deutschland. Die Infrastruktur der Nachbarn dieses Binnenlandes im Herzen Afrikas ist nicht viel besser. Schon die laufende Hilfe für die Flüchtlinge hat die lokalen Märkte leer gefegt. Der Preis für einen Liter Benzin stieg in der Hauptstadt NDjaména im Juli auf 2,29 Euro. Versorgungsengpässe gibt es nicht nur bei Benzin. Dabei ist der Tschad seit 2003 Ölproduzent. Wo im Süden des Landes noch vor einigen Jahren Hirse angebaut wurde und Rinder weideten, stehen mittlerweile 500 Bohrtürme, abgeschottet vom Umfeld wie Bohrinseln. Schon dieses industrielle Großprojekt hat den Tschadern gezeigt, wie das Auftreten von Ausländern mit Geld in der Tasche Sozialstrukturen zerstört hat und das Leben unbezahlbar machte.

Mehr als Hirsebier und Sex kann die lokale Bevölkerung nicht anbieten, um wenigstens ein bisschen von dem Reichtum abzubekommen, der da ins Land strömt. Obwohl die Regierung des Tschads im Jahr 2007 über 1 Milliarde Dollar aus Öleinnahmen erzielt, ist der Lebensstandard nach UN-Kriterien gesunken. Die anstehende Militärmission verschärft die bestehende Krise, bestenfalls bleibt alles, wie es ist. Darauf scheint Déby zu hoffen. Die Krise im Darfur lässt sich nicht lösen, ohne die andauernden Konflikte im Tschad zu lösen. Die Regierung des Tschads ist Teil des Darfur Problems und nicht sein Opfer, wie es vielfach dargestellt wird. MARTIN ZINT

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