Keine Rente für schwule Witwer: Witwenrente wörtlich verstanden
In der Schweiz gibt es die gleichgeschlechtliche Ehe. Bei der Witwenrente tun sich allerdings große Unterschiede auf.
Seit Ende September dürfen auch Homosexuelle in der Schweiz die Freuden der Ehe erleben. Die gleichgeschlechtliche Heirat wurde eingeführt, das Volk hat per Abstimmung darüber entschieden.
Völlig gleichgestellt sind die Betroffenen aber nicht. Bei der Witwenrente tun sich große Unterschiede auf – zulasten der Männer.
Denn in der Schweiz wird die Witwenrente wörtlich verstanden. Sie steht nur den hinterbliebenen Frauen zu, nicht aber den Witwern. Dieses Versorgungsmodell war bisher einfach nur klassisch-konservativ, weil es davon ausgeht, dass Männer in jedem Fall mehr verdienen als Frauen und auch ungesünder leben und deshalb früher als ihre Gattinnen sterben.
Durch die Ehe für alle wird das herkömmliche Rentenmodell erst recht zu einer sozialen Ungerechtigkeit. Denn in lesbischen Ehen haben beide Gattinnen Anrecht auf diesen Rentenbonus. Hier ist die Hinterbliebene also in jedem Fall abgesichert. Schwule Ehepaare hingegen gehen bei der Witwenrente immer leer aus.
Witwenrente für alle (Männer)
Die Ehe für alle einzuführen, fiel der Schweiz nicht leicht. Zuerst versuchte das Parlament aus Angst vor inneren Streitigkeiten, sie im letzten Vorweihnachtstrubel unmerklich zu legalisieren. Eine Petition erhitzter Gemüter kippte den Beschluss und machte eine Volksabstimmung nötig. Deren Ergebnis zeigt vor allem, dass die Ehe für alle nicht gerade eine Herzensangelegenheit der Schweizer ist. Aber immerhin kam eine Mehrheit zustande.
Und schon ist die Homo-Ehe madig gemacht durch die ungleichen Rentenansprüche. Die ersten helvetischen Hipster grübeln bereits über den nächsten Volksentscheid: Witwenrente für alle (Männer). Die notwendigen 50.000 Unterschriften werden sie aber keinesfalls zusammenkriegen, denn eine Ausweitung der Witwenrente auf die Männer kostet harte Franken. Und wenn dem Schweizer eines heiliger als das traditionelle Familienbild ist, dann sein Überschuss im Staatshaushalt.
Leser*innenkommentare
Arnulf MAINZER
Die Hinterbliebenenrente ist doch ein Relikt aus einer Zeit, als es völlig reichte (und möglich war), dass ein Verdiener die Familie ernährt. Mit Blick auf die alternde Gesellschaft und den Fachkräftemangel - völlig abgesehen von Einkommen und Ansprüchen der Menschen - können wir uns dieses Modell gar nicht mehr leisten, im Grunde müsste schon heute jeder (m/w/d) vom Ende der Ausbildung bis zum Renteneintritt voll berufstätig sein. In dem Moment entfällt jedoch auch die Notwendigkeit einer sozialen Absicherung in Gestalt der Hinterbliebenenrente.
Wie absurd aber bereits bei der "klassischen" emanzipierten Familie das schweizer Modell ist, wird deutlich, wenn man den Fall "Chefarzt heiratet Krankenschwester, die anschließend sich um Kinder und Haushalt kümmert" einfach einmal umdreht. Dann ist es die Chefärztin, die einen Krankenbru... äh (sorry, meine sprachliche Korrektheit wollte mit mir durchgehen), Krankenpfleger ehelicht, der sich um Kinder und Haushalt kümmert. Und was, wenn der Göttergattin in Weiß etwas zustößt? Waisenrente für die Kinder und der sich um Haus und Hof Kümmernde guckt in die Röhre oder muss ganz schnell eine neue Ernährerin finden. Sorry, aber Gleichberechtigung und Freiheit von Diskriminierung aufgrund z.B. des Geschlechtes sieht bei mir anders aus.
Und wenn man denn den im Beispiel genannten Fall geschlechtergerecht löst, dann dürfte das im Falle homosexueller männlicher Hinterbliebener kein Thema mehr sein. Insofern sei den männlichen Schweizern empfohlen, einfach den Fokus auf Große und Ganze zu richten, dann wird am Ende auch allen geholfen. Denn eine Volksabstimmung mit der allgemeinen Fragestellung der Gleichberechtigung hat eher Chancen auf sofortigen Erfolg.
Obscuritas
"Dieses Versorgungsmodell war bisher einfach nur klassisch-konservativ, weil es davon ausgeht, dass Männer in jedem Fall mehr verdienen als Frauen"
Klassisch konservativ? Eher klassisch chauvinistisch. Es geht davon aus, das Frauen auf keinen Fall mehr verdienen könnten als Männer und schließt aus, dass Männer, sich um den Haushalt und Kinder, kümmern könnten.
Barbara Falk
Die Schweizer Regierung lässt die Frage der Rechtmäßigkeit der beschränkten Witwer-Rente gerade vor dem EGMR klären.
www.bluewin.ch/de/...s-egmr-618606.html
Einen Volksentscheid wird es also, um gleiches Recht für alle zu schaffen, hoffentlich nicht brauchen.
Obscuritas
@Barbara Falk Danke für den Link, das macht Hoffnung. Und hätte in den Artikel gehört.
Das ist viel besser als ein Volksentscheid.
Interessant. wird nämlich, ob der Schweizer Staat, auch nachträglich, noch, die nicht ausgezahlte Rente, blechen müssen wird.