Die Wahrheit: Ein Horn für Asiens Ständer

Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (160): Nashörner sind gewichtige, kräftige Tiere und äußerst vom Aussterben bedroht.

Nashornmutter mit Nachwuchs.

SOS! Save our souls: Panzernashornkuh Betty, hier 2008, mit Töchterchen Manjula im Tierpark Berlin Foto: AP

„Das Nashorn ist das Tier für die großen Fragen im Leben“, heißt es in dem „Portrait ‚Nashörner‘“ (2017) von Lothar Frenz. Einst waren sie bis nach Sibirien verbreitet. Heute gibt es noch fünf Arten: Das Breitmaul- und das Spitzmaulnashorn leben in Afrika, das Java-, Sumatra- und Panzernashorn in Asien. Alle fünf sind vom Aussterben bedroht, vor allem weil Wilderer sie wegen ihres Horns jagen, das unter anderem in China als Potenzmittel gilt, weswegen man für ein Kilo bis zu 60.000 Euro zahlt, obwohl die Hörner nur aus Keratin bestehen wie unsere Fingernägel.

Von den Javanischen Nashörnern leben noch ganze 67. „Bis vor Kurzem gab es Vertreter dieser Nashornart auch noch in Vietnam, dort sind sie aber ausgestorben. Nun kommen sie nur noch in einem Nationalpark auf Java vor“, schreibt tierarten.de.

Die FAZ berichtete über das letzte Sumatra-Nashorn: „Nur wenige Wochen nachdem zum ersten Mal nach 40 Jahren wieder ein Sumatra-Nashorn gesichtet worden war, ist das Tier auch schon verendet. Der erste Lebendkontakt mit dem Nashorn hatte bei Tierschützern große Hoffnungen geweckt.“

Auf geo.de heißt es über die afrikanischen Breitmaulnashörner: „In Afrika erlegen Wilderer alle 8,3 Stunden ein Nashorn. Besonders gefährlich ist es für die Tiere in Südafrika, denn dort hält sich kaum einer an die Regeln und Gesetze, die sie vor der Jagd schützen sollen. 2013 wurden insgesamt 1.000 Tiere getötet. Viele bleiben nicht mehr übrig.“

Mörderische „Burenmafia“

Regelrechte Banden gibt es in Südafrika, „Burenmafia“ genannt, mit Hubschraubern ausgerüstet: Die Ranger in den Reservaten erschießen deren Jäger, wenn sie sie erwischen. Es ist ein „Rhino-War“. Tierschutzstiftungen wollen deshalb schnellstmöglich viele Nashörner nach Botswana oder Kenia bringen. Dort sind die Tiere sicherer.

Das Magazin Focus schrieb vor ein paar Jahren noch: „‚Sudan‘ ist das letzte männliche Breitmaulnashorn auf der Erde. Um es gegen Wilderer zu schützen, wird das Tier 24 Stunden am Tag von einer paramilitärischen Einheit bewacht. Denn skrupellose Wilderer lauern nur darauf, das gigantische Tier zu erlegen. Weltweit ist die Nashorn-Population in den vergangen 50 Jahren um 96 Prozent gesunken. Besonders betroffen sind die Nördlichen Breitmaulnashörner.“

Zusammen mit zwei weiblichen Artgenossen streifte Sudan in Kenia durch das Ol Pejeta Conservancy, das größte ostafrikanische Schutzgebiet für Nashörner. Dort hoffte man, dass die drei irgendwann Nachwuchs bekämen. „Doch der einzige Weg führt wohl über künstliche Befruchtung“, so das Magazin.

Der Tagesspiegel berichtete 2021 über solch eine technische Lösung: „Forscher vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung beabsichtigen, zusammen mit anderen Instituten, das Nördliche Breitmaulnashorn mit neuer Stammzelltechnologie vorm Aussterben zu bewahren. Der Plan ist, dessen Eier nach einer künstlichen Befruchtung in eine Leihmutter einzubringen – vermutlich in Südliche Breitmaulnashörner, von denen es noch ein paar mehr Tiere gibt.“ Aber woher den Samen dafür nehmen, nachdem etwa in Kenia Sudan 2018 an Altersschwäche starb?

Ernster Krieg um Rhinos

In Afrika gibt es neben den Nationalparks viele private Tierreservate, meist von Weißen, einige haben sich der Aufgabe verschrieben, verwaiste und verletzte Nashornbabys, deren Mütter von Wilderern in den Nationalparks getötet wurde, aufzuziehen. Neben reichen Gönnern brauchen sie ständig Jugendliche aus aller Welt als Volontäre. Diese schreiben anschließend Bücher über ihre Arbeit „als Wildhüter in Afrika“. Erwähnt sei Sebastian Hilperts Buch „Überleben“ (2019), in dem es vorwiegend um eine 46.000 Hektar große Nashorn-Auffangstation in Südafrika geht. Er meint, dass viele Volontäre dort „nicht den Ernst des Rhino-Wars verstehen“, sie wollen bloß „Selfies mit Nashörnern“ machen.

Die Besucher der Reservate sind aber auch nicht besser, deswegen sind nicht wenigen Besitzern der sogenannten Nashorn- oder Elefanten-Sanctuaries Trophäenjäger lieber als Safaritouristen: Einer mit Gewehr bringt so viel Geld wie hundert mit Kamera und macht weniger Arbeit.

Als der inzwischen gestorbene Besitzer des südafrikanischen Wildreservats Thula Thula, Lawrence Anthony, erfuhr, dass nur noch vier Nördliche Breitmaulnashörner im kongolesischen Nationalpark Garamba wild leben, entschloss er sich, sie zu retten – vergeblich, sie verschwanden im ugandisch-südsudanesischen Guerillakrieg: „Naturschutz in Afrika zu betreiben, heißt einzusehen, dass man diesen Krieg nicht gewinnen kann“, schreibt er in seinem Bericht: „Das letzte Nashorn: Was ich von einer aussterbenden Tierart über das Leben lernte“ (2020).

Erschossen im Tierpark

Ein tschechischer Zoo entschloss sich danach, seine ebenfalls vier Nördlichen Breitmaulnashörner in einem schwer bewachten Schutzgebiet in Kenia frei zu lassen. Und in einem Pariser Zoo haben Wilderer 2017 frontal ein Breitmaulnashorn erschossen und ihm sein Horn abgesägt.

Der niederländische Schriftsteller Lodewijk van Oord hat einen Roman – ebenfalls mit dem Titel „Das letzte Nashorn“ – geschrieben. Darin geht es um den Amsterdamer Zoo, dessen Einnahmen zurückgehen, weswegen der neue Direktor aus dem Zoo einen attraktiven Event- und Themenpark machen will.

Er engagiert eine südafrikanische Nashornexpertin und beginnt mit dem Themenpark „Afrika“. Die Attraktion darin sollen drei Exemplare einer Nashornart werden, von denen es nur noch acht auf der Welt gibt. Aber alles geht schief. Viele Rezensenten und Literaturkritikerinnen betonten, das Buch rege „zum Nachdenken“ an.

Die Gründerin des kenianischen Rhino-Schutzparks Ngare Sergoi, Anna Merz, erzählt in „Begegnungen mit (anderen) Tieren“ (2022) von ihrem Nashorn Samia, das seine Mutter nicht annehmen wollte und von der Autorin aufgezogen wurde: „Als winziges Baby schlief sie in meinem Bett, was zu Eheproblemen führte, weil sie unglaublichen Dreck macht“, schreibt Merz.

Zehn Jahre waren Samia und Anna Merz schließlich „Gefährtinnen“. In dieser Zeit „lehrte sie mich sehr vieles über die Nashornwelt, was ich anders nie hätte lernen können“. So bot Samia ihr auf steilen Pfaden oder wenn sie hingefallen war, ihren Schwanz an, damit sie sich daran hochziehen konnte: Später beschützte sie Anna Merz vor dem wilden Nashornbullen Kenu, der 1995 Vater von Samias erstem Kind wurde.

Die Autorin versuchte ihrerseits, Samia etwas beizubringen: Um deren Geruchssinn zu schulen, versteckte sie sich, hoffend, dass Samia nach ihr schnüffeln würde. „Stattdessen ging sie zum Gartentor, machte es auf, um die Hunde herauszulassen, und galoppierte dann hinter ihnen her direkt zu mir.“ Für Merz sprach dies für Samias „unglaubliche Intelligenz“. Nashörner sind also „keineswegs einzelgängerische, übellaunige, dumme Tiere“.

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