Verkürzung von Ersatzfreiheitsstrafen: Die Klassenjustiz bleibt

Wer eine Geldstrafe nicht zahlen kann, soll künftig nur noch halb so lang in den Knast. Das ist billiger, löst aber das soziale Grundproblem nicht.

Sonnenaufgang überm Stacheldraht

Ersatzfreiheitsstrafen sollen halbiert werden – aber das Problem bleibt Foto: Klaus Gabbert/dpa

Sie haben sich also endlich ge­einigt, Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP): Ersatzfreiheitsstrafen sollen halbiert werden. Das heißt: Wer eine Strafe von 20 Tagessätzen nicht zahlt, geht künftig nur noch für 10 Tage ins Gefängnis, nicht mehr für 20. Man hätte die Strafen aus guten Gründen auch dritteln können: Immerhin orientiert sich der Tagessatz am Verdienst von einem Arbeitstag. Der hat in der Regel aber nur acht Stunden, ein Tag im Knast dagegen 24.

Immerhin scheint es eine halbgute Nachricht, dass dieses Problem überhaupt adressiert wird. An der Wurzel packt es der Referentenentwurf aus Buschmanns Ministerium aber auch nicht unbedingt. Ersatzfreiheitsstrafen sind irrwitzig teuer und bringen nichts, beklagen Praktiker seit Jahren. Der Deutsche Richterbund und die Innenministerin hielten dem bisher entgegen: Dann bräuchte man ja bald überhaupt keine Geldstrafen mehr zu verhängen, wenn der Druck sie auch zu zahlen, entfällt.

Diese Argumentation verkennt allerdings die soziale Realität: Druck bewirkt überhaupt nichts, wenn die Ressourcen, ihm nachzukommen, schlicht nicht vorhanden sind. In der Realität, die viele Richter nicht zu Gesicht bekommen, wenn sie zum Beispiel Strafbefehle nach Aktenlage und ohne Verhandlung verhängen, treffen Ersatzfreiheitsstrafen vor allem diejenigen, die zu arm sind, sie zu zahlen. Oder die, bei denen es nichts zu pfänden gibt, oder die, deren Leben schon derart in Schieflage geraten ist, dass sie Behördenpost nicht mehr aufmachen oder gar nicht verstehen. Ersatzfreiheitsstrafen sind Klassenjustiz der übelsten Sorte.

Eine Halbierung entlastet nun die Gefängnisse (und damit den Staatshaushalt), ändert aber nichts an der Zahl der Betroffenen. Wenn man die ernsthaft reduzieren wollte, müsste man in aufsuchende Sozialarbeit investieren. Damit haben etliche Bundesländer, zum Beispiel Niedersachsen, gute Erfahrungen gemacht. Leider scheitert dies an vielen Stellen an der Personaldecke im Justizsozialdienst – oder am Datenschutz, der die Einbindung freier Beratungsstellen erschwert.

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