Weihnachtsmarkt mit Zirkuskunst: Watteschnee mit Street Credibility

Beim „Winterspektakel“ in Hamburg gibt es Karussells, Kunstschnee-Rutsche und Zuckerzeug. Dazu gibt es Shows des Kulturprojekts Circus Mignon.

In einem Zirkuszelt stehen Stände, zwischen ihnen laufen Menschen

Irgendwo zwischen Weihnachtsmarkt, Jahrmarkt und Zirkus: Blick in eines der Zelte Foto: Winterspektakel

HAMBURG taz | Die kalte Luft riecht nach Popcorn und gebrannten Mandeln, nach Punsch, Waffeln, Lebkuchen und auch sogar nach Schnee. Es hatte tatsächlich ein wenig geschneit im winterkalten Hamburg und entsprechend weiß-weihnachtlich kam das „Winterspektakel“ daher. Nach zwei Jahren coronabedingter Spielpause findet es nun wieder statt. An der Trabrennbahn Bahrenfeld. Mehrere hohe weiße Zeltspitzen künden das Spektakel schon von Weitem an. Der Weg dorthin führt durch einen kleinen „Wald“ voller Tannenbäume mit Watteschneespitzen, einen Food Court und einen Jahrmarkt im Außenbereich. Vor dem Eingang locken ein Kettenkarussell, Dosenwerfen, eine Kunstschnee-Rutsche, Autoscooter und „Hau den Lukas“. Oder lieber Anschwung nehmen auf der alten Schiffsschaukel?

Erst mal geht’s – schnell noch eine Tüte Popcorn in die Hand – direkt ins Zirkuszelt zur Artistik-Show mit Schwerpunkt „Urban Street Art“. Kein klassischer Zirkus also, sondern, davon erzählt nicht nur der Basketballkorb an der Zeltstange, Kunst mit Street Credibility ist hier zu sehen. In einem Videoeinspieler, der zum Auftakt läuft, ziehen ein Dutzend graue Regenmantelmenschen durch die Hansestadt. Mit gezückten Smartphones machen sie sich auf die Suche nach Kunst an Straßenecken und in Hinterhöfen, ziehen von den Landungsbrücken in die Speicherstadt, finden dort Artisten mit echter Street Credibility – und holen diese (sich selbst) dann auf die Bühne.

Dort, im sanften Nebel, steigt zunächst eine Luftakrobatin in eine herabhängenden Reifen, vollführt ein paar schwerelos wirkende Drehungen bis fast zur Zirkuskuppel, bevor sie sich kopfüber in den Spagat gleiten lässt. Anschließend tanzen und drehen sich drei Performer um ihre Basketbälle und schließlich auf ihren Köpfen. Sie springen wie Flummis über die Bühne, hüpfen von ihren Schultern auf die Füße und wieder zurück und jonglieren dabei die Basketbälle mit einer beeindruckenden Lässigkeit.

Im Hintergrund, auf zwei gestapelten Hafencontainern, spielt eine Live-Band, die mit einem Trommelwirbel die nächsten Acts ankündigt: Da tritt eine Jongleurin auf, mit Kegeln, die magisch zu schweben scheinen, drei Turner, die sich mittels einer Wippe schwungvoll und gegenseitig in die Luft befördern. Dort oben drehen sie dann schnelle, exakte Pirouetten und vollführen doppelte Salti, bevor sie sicher auf dem doppelten Turnmattenstapel landen. Später folgen eindrucksvolle Skateboardricks, waghalsige BMX-Rad-Sprünge sowie ein heiterer Spaghetti-Zaubertrick, der an dieser Stelle natürlich nicht verraten wird, bis ein Slackline-Tänzer wahlweise auf einem Einrad oder einer Leiter übers Seil balanciert, bevor er – obendrein – eine muntere Runde lang jongliert.

„Winterspektakel“: bis 8. 1. 23, Hamburg, Trabrennbahn Bahrenfeld, https://winterspektakel.de

Alle Auftritte – egal ob die kunstvolle Jonglage mit vier Hüten oder die kleinen Hip-Hop-Tanzeinlagen zwischendurch – eint eine unverstellte Lässigkeit und charmante Nahbarkeit. Entsprechend werden zwischendrin, in den Umbaupausen, schnell die Seile gespannt und die Strickleitern verstaut, werden Matten ausgebreitet und Skate-Rampen fixiert, da wird miteinander gelacht und auch mal eine Nummer wiederholt. Hier wird nicht mehr behauptet, als zu sehen ist, und genau das erzählt von dem Herzblut und der Hingabe, mit der der Circus Mignon arbeitet – einem weit verzweigten, wie nebenbei auch inklusiven Kulturprojekt mit Sitz in Hamburg und auf Sylt.

Eines der Highlights ist sicherlich der Auftritt der drei argentinischen Trampolinspringer. Mit Hosenträgerhosen und im munteren Slapstick lassen sie sich von einem etwa fünf Meter hohen Podest auf ein Trampolin fallen, bevor sie scheinbar leichtfüßig eine senkrechte Graffiti-Wand hochspazieren, um kurz darauf kunstvoll in den nächsten Salto zu purzeln. Unbekümmert stellen die drei die Welt auf den Kopf, schwungvoll und selbstverständlich agieren sie mit- und nebeneinander.

Die anschließend auftretenden Feuerschlucker und ihr Fackeltanz müssen unbedingt noch erwähnt werden und natürlich auch jener smarte Laser-Akrobat, der das Licht mit seinen Händen einfangen kann. Das – kleine und große – Publikum staunt und filmt und staunt und filmt, was ausdrücklich erwünscht ist.

Die ganze Stadt ist eine Show, heißt es am Ende über die Lautsprecher. Doch bevor es tatsächlich in die Stadt zurückgeht, wird erst mal noch eine Runde Boxauto gefahren und eine Runde Kettenkarussell und eine auf der Schiffsschaukel und noch mal eine Runde Boxauto. Dann aber: einen letzten Liebesapfel auf den Weg und einen Blick zurück zum „Winterspektakel“, einer liebevollen Mischung aus Zirkusshow, Weihnachtsmarkt und Mini-Winterdom.

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