Strafreform in Spanien: Puigdemont kein „Aufständischer“

Die spanische Strafreform tritt am Donnerstag in Kraft. Die neue Gesetzeslage verringert die Haftstrafen im Fall „Unabhängigkeit Kataloniens“

Carles Puigdemont geht an Menschen vorbei

Carles Puigdemont wird nicht mehr wegen „Aufstand“ gesucht, sondern nur noch wegen „Ungehorsam“ Foto: David Borrat/imago

MADRID taz | Der im Brüsseler Exil lebende ehemalige Regierungschef der nordostspanischen Region Katalonien, Carles Puigdemont, wird seit Donnerstag von der spanischen Justiz nicht mehr wegen „Aufstand“ gesucht, sondern nur noch wegen „Ungehorsam“ gegenüber der Zentralregierung und „Veruntreuung öffentlicher Gelder“.

Pablo Llarena, Ermittlungsrichter am obersten Gerichtshof in Spanien, änderte den europäischen Haftbefehl aufgrund der jüngsten Strafrechtsreform in Spanien, die am Donnerstag in Kraft trat. Darin wurde der Straftatbestand „Aufstand“ gestrichen und durch „schwere öffentliche Unordnung“ ersetzt. Auch die Haftbefehle gegen zwei weitere Mitstreiter Puigdemonts, die sich in Brüssel bzw. in Schottland aufhalten, wurden entsprechend geändert.

Puigdemont, der mittlerweile als Abgeordneter im Europaparlament sitzt, hatte mit seiner Regierung und der Zivilgesellschaft trotz Verbot aus Madrid am 1. Oktober 2017 ein Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien abgehalten. Nachdem die Zentralregierung seine Autonomieregierung des Amtes enthob und die Justiz begann, gegen die Mitglieder des katalanischen Kabinetts sowie mehrere Politiker und Aktivisten wegen „Aufstand“ zu ermitteln, gingen Puigdemont und zwei seiner Minister ins Exil. Seither werden sie per europäischem Haftbefehl gesucht.

Neun katalanische Politiker und Aktivisten, die in Spanien blieben, wurden zu Strafen von bis zu 13 Jahre wegen „Aufstand“ und „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ verurteilt worden. Die jetzige Linksregierung in Madrid unter dem Sozialisten Pedro Sánchez begnadigte sie 2021. Die Regierung Sánchez hatte das Strafrecht Ende 2022 geändert, weil der Aufstandsparagraf in der Form nicht mit den Rechtsnormen anderer EU-Länder kompatibel war. Weder Belgien, noch Deutschland oder Schottland hatten die katalanischen Politiker im Exil ausliefern können.

Nicht mehr wegen „Aufstand“ gesucht

Auch der Straftatbestand der „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ wurde 2022 reformiert – von bisher acht auf vier Jahre Höchststrafe. Das bedeutet, Puigdemont droht noch eine Haftstrafe in Spanien. Llarena, für den die Volksabstimmung mit über zwei Millionen WählerInnen bisher ein „Aufstand“ war, sieht jetzt nicht einmal „öffentliche Unordnung“ gegeben. Er bedauert, dass die Strafrechtsreform „einen Kontext nahe der Entkriminalisierung“ schaffe. Das, was am 1. Oktober 2017 geschah, lässt sich jetzt nicht mehr von der Gesetzlage abdecken.

In Spanien wird jetzt der oberste Gerichtshof den Spruch gegen die 13 verurteilten Politiker und Aktivisten überprüfen und revidieren müssen. Auch gegen Hunderte von Beamten, die genauso der Veruntreuung bezichtigt werden. Direktoren, die Schulen als Wahllokal zur Verfügung stellten, dürfen ebenfalls mit geringeren Strafen rechnen.

Entscheidend wird auch die Immunitätsfrage sein: Das Gericht der Europäischen Union soll in diesem Quartal noch entscheiden, ob der ehemalige katalanische Regierungschef den Sitz im EU-Parlament 2019 an­tre­ten durfte.

Carles Puigdemont, wird seit Donnerstag von der spanischen Justiz nicht mehr wegen „Aufstand“ gesucht, sondern nur noch wegen „Ungehorsam“

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