Unterkünfte für Geflüchtete in Hamburg: Bloß nicht noch mal Baumärkte

In Hamburg lobt man sich für die schnelle Bereitstellung von Flüchtlingsunterkünften. Kritik gibt es jedoch an der Ungleichbehandlung von Geflüchteten.

Die ehemalige Zentrale der Postbank in der Hamburger City Nord.

Hier sollen bis zu 1.500 Geflüchtete unterkommen: Postbank-Zentrale in der Hamburger City Nord Foto: Markus Scholz/dpa

HAMBURG taz | 200 Geflüchtete aus der Ukraine ziehen am 3. April in die alte Postbank-Zentrale im Hamburger Büroviertel City Nord. Sie sollen dort wohnen, bis es für sie eine längerfristige Unterkunft gibt. In nur drei Monaten hat es die Stadt geschafft, das leer stehende Bürogebäude so herzurichten, dass darin Menschen leben können.

Es wirkt, als laufe bei der Unterbringung Geflüchteter vieles reibungsloser als noch während der großen Fluchtbewegung der Jahre 2015/16, als Menschen monatelang in Messehallen, Tennishallen oder aufgegebenen Baumärkten ausharren mussten. Anfang des Jahres hatte das städtische Sozialunternehmen Fördern & Wohnen (F&W) einen der „Mundsburg Tower“-Wohntürme im innenstadtnahen Stadtteil Uhlenhorst mit 133 Wohnungen gekauft, um dort Geflüchtete unterzubringen. Auch zwei Hotels hat das Unternehmen erworben. Gleich nach dem Beginn des Ukrainekrieges hatte die Stadt unkompliziert Hotels zur Unterbringung von Kriegsflüchtlingen angemietet.

Um aus einem alten Bürogebäude Wohnraum zu schaffen, brauche es vieles, erklärt Gabriele von Stritzky, Bereichsleiterin bei F&W, bei einem Pressetermin vor Ort: Fußböden müssen ausgetauscht und Jalousien an den Fenstern angebracht werden. Weil das Bürogebäude nicht über ausreichende Sanitärräume verfügt, wurden davor Duschcontainer aufgestellt.

Obwohl eine Woche vor dem Bezugstermin noch nicht alles fertig ist, zeigen sich von Stritzky und Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) entspannt: Die Prozesse zur Unterbringung der Geflüchteten hätten sich professionalisiert. Man habe aus der Erfahrung von 2015/16 viel gelernt. „Wir sind viel besser vorbereitet und kennen die Stellschrauben und Knackpunkte“, fügt Arne Nielsson, Sprecher der Geschäftsführung von F&W hinzu.

Bei der Unterbringung mache die Stadt einen „guten Job“, heißt es aus der Geflüchtetenhilfe. Die Probleme fingen danach an: im Amt für Migration, bei Sprachkursen und auf dem Arbeitsmarkt

„Ich glaube, dass wir schneller geworden sind“, sagt von Stritzky. Abläufe und Prozesse aus 2015/16 habe man ganz schnell wiederbeleben können. Die Vernetzung insgesamt sei besser: Zwischen F&W und der Sozialbehörde gebe es „engmaschige Besprechungen“. Die Hamburger Sozialbehörde sieht das ganz ähnlich: „Strukturen von damals wurden nicht eingestampft“, sagt der Sprecher der Behörde Wolfgang Arnhold.

„Anders als in den Jahren 2015/ 2016 gab es keinen zeitlichen Vorlauf“, sagt Arnhold. Er hebt hervor, dass die Stadt nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sehr schnell habe reagieren müssen. Da aufgrund der Coronapandemie viele Hotels leer standen, boten sich diese als schnelle Lösung an.

Auch aus der Flüchtlingshilfe kommen lobende Worte, was die schnelle Reaktionsfähigkeit der Stadt betrifft: „Da machen die eine gute Arbeit. Die Hallen haben sie schnell versucht, leer zu machen“, sagt Manfred Ossenbeck vom Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen. Seit März werden keine Turnhallen mehr zur Unterbringung Geflüchteter benötigt.

Wenig Lob kommt dagegen von der Opposition. Nach 2015/16 habe man Unterkünfte für Asylsuchende erneut abgebaut, kritisiert Carola Ensslen, Fachsprecherin der Linksfraktion für Flucht und Migration. So kam es auch 2022/23 dazu, dass die Stadt zu Beginn des Angriffs auf die Ukraine erneut Menschen in Hallen und Zelten habe unterbringen müssen. Das sei zwar nachvollziehbar, denn irgendwie müssten die Menschen ja untergebracht werden, räumt sie ein. Dennoch sehe sie hier keine Verbesserung zu 2015/16. Ensslen bemängelt auch, dass viele Geflüchtete bereits seit 2015 durchgängig in öffentlichen Unterkünften leben. Für sie habe sich die Situation nicht gebessert.

„Es kommt darauf an, wer kommt“, sagt Ensslen dann und bringt damit die Kritik auf den Punkt, die auch Manfred Ossenbeck teilt. Er sieht große Defizite in der Gleichbehandlung Geflüchteter.

Ungleichbehandlung beim Sommerfest

Ossenbeck erzählt vom Sommerfest der Bürgerschaft 2022, das stehe für ihn exemplarisch für die Ungleichbehandlung. Die Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit lud damals nur geflüchtete Kinder aus der Ukraine ein. „Die Geflüchteten aus anderen Staaten sorgen sich, dass sie hinten runterfallen, wenn es zum Beispiel um den Zugang zu Sprachkursen geht.“

„Ich will niemandem sein Bemühen absprechen“, betont Ossenbeck. Dennoch beobachte er weiterhin eine Überforderung der Bürokratie. Das Amt für Migration sei weiterhin langsam in der Bearbeitung von Anträgen. Dort habe sich die Situation nicht verbessert. Außerdem hätten viele Geflüchtete weiterhin das Problem, dass ihre Abschlüsse nicht anerkannt würden, auch jene aus der Ukraine.

Ossenbeck lobt viele Arbeitgeber, die sich im Vergleich zu 2015 entspannter zeigten und Menschen auch ohne die Anerkennung ihrer Abschlüsse einstellen. Die Arbeitgeber lernten schneller als die Regierung, meint er.

In die neu geschaffene Unterkunft in der City Nord ziehen ebenfalls ausschließlich Geflüchtete aus der Ukraine. Auch ein Zeichen der Ungleichbehandlung? Schließlich kommen täglich etwa gleich viele Geflüchtete aus anderen Staaten in Hamburg an.

Die Sozialbehörde erklärt die Belegpraxis mit rechtlichen Gegebenheiten: Die Interimsstandorte seien einfach ausgestattet und hätten keine Küchen, erklärt Sprecher Arnhold. Menschen mit anerkanntem Schutzstatus hätten hingegen das Recht in einer Folgeunterbringung zu leben, wo sie die „Möglichkeit der Selbstversorgung durch Küchen“ haben.

Es gehe in der City Nord nur um das Allernötigste. „Als Maßnahme zur Gefahrenabwehr gemäß dem Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung können wir schnell Wohnflächen bereitstellen, sodass Menschen ein Dach über dem Kopf erhalten.“

Insgesamt 900 Menschen sollen im Laufe der Zeit in der City Nord unterkommen. Die restlichen 600 Plätze sollen als Reserve für den Notfall frei bleiben. So plant es die Stadt. Es soll nicht erneut dazu kommen, dass Menschen in Turnhallen oder Baumärkten leben müssen.

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