Konflikt um Frankreichs Rentenreform: „Radikalisierte Regierung“

In Frankreich verhärtet ein Treffen der Gewerkschaften und der Premierministerin die Fronten. Jedes Entgegenkommen gilt als Schwäche.

Gewrkschaftsvertreter und -vertreterinnen sitzen an einem Verhandlungstisch

Die neue Chefin der Gewerkschaft CGT, Sophie Binet, im Regierungspalast  in Paris am Mittwoch Foto: Gabrielle Cezard/SIPA/imago

PARIS taz | Am Mittwochvormittag hat Frankreichs Premierministerin Elisabeth Borne die Gewerkschaften im Regierungspalast in Paris empfangen. Über den Inhalt der umstrittenen Rentenreform und insbesondere die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters auf 64 Jahre wollte Borne aber nicht diskutieren – und das Gesetz zurücknehmen, wie dies die Gewerkschaften geschlossen verlangen, erst recht nicht. Sehr schnell wurde bei dem Treffen also klar, dass sich die Regierung und die Gewerkschaftsdelegationen kaum etwas zu sagen haben. Das Kräftemessen im Konflikt um die Reform geht also in die nächste Runde.

In der vergangenen Woche hatte die Gewerkschaftseinheit Intersyndicale der Regierung Verhandlungen mit Vermittlern vorgeschlagen, um so einen Ausweg aus dem Konflikt zu finden. Das hatte Regierungssprecher Olivier Véran in unverständlich barschem Ton zurückgewiesen, Borne bot daraufhin den Gewerkschaften das Gespräch an. Der Zweck: Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, dass die Fortsetzung der Krise ihre Schuld wäre. Gleichzeitig würde ihr jede Geste des Entgegenkommens oder der Bereitschaft zu Konzessionen als fatales Schwächezeichen ausgelegt.

Vielleicht hatte die Regierungschefin gehofft, bei dem Empfang ein wenig römische Politik betreiben zu können: Teile und herrsche. Denn die Gewerkschaftsverbände kämpfen seit Wochen geschlossen gegen die Reform. Mit den Vertretern über andere Themen als die Reform zu sprechen und so deren Einheit möglicherweise zu spalten, ist Borne aber wohl nicht geglückt.

Es war bezeichnenderweise der Chef der gemäßigten Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, der im Namen aller den Abbruch der Unterredung ankündigte, die sich praktisch auf ein „Bonjour“ und ein „Au-revoir“ beschränkte.

Erneuter Streiktag für Donnerstag ausgerufen

Etwas anderes war grundsätzlich kaum zu erwarten. Denn beiden Konfliktparteien würde bereits ein kleines Entgegenkommen als erster Schritt zur Kapitulation ausgelegt. Die Gewerkschaftsführungen wissen zudem, dass ihre Basis kompromisslos den Rückzug der Reform fordert. Bei einem Einlenken würden sie wohl lediglich die Kontrolle über die Protestbewegung verlieren.

Das Kräftemessen um die Renten­reform geht in die nächste Runde

Das Treffen hat nun aber nicht nur nichts gefruchtet, sondern den Konflikt noch verhärtet: Die Gewerkschaften betrachten die unnachgiebige Haltung von Borne als Affront gegen die Millionen Menschen, die seit Februar gegen die Reform auf der Straße demonstrieren. Die neue Chefin der Gewerkschaft CGT, Sophie Binet, erklärte nach dem abgebrochenen Gespräch vor dem Regierungssitz: „Wir haben den Eindruck, dass diese Staatsführung in einer parallelen Welt lebt. Wir haben es mit einer radikalisierten und sturen Regierung zu tun, die eine verantwortungslose und gewaltsame Strategie verfolgt und entschlossen ist, sich gegen die Straße durchzusetzen.“

Für den Donnerstag rufen die Gewerkschaften geschlossen zu einem weiteren Aktionstag mit Streiks und Demonstrationen im ganzen Land auf. Die Machtprobe zwischen der Staatsführung und den Gewerkschaften wird zusehends härter.

Einen Termin haben aber alle Parteien in ihren Kalendern rot unterstrichen: den 14. April. Dann nämlich wird der Verfassungsrat das Urteil über die Rentenreform bekannt geben: Die Regierung hofft auf grünes Licht, die Opposition und die Gewerkschaften erwarten, dass die Reform – sowie die Art, wie die Regierung sie durchsetzte – ganz oder zumindest teilweise bemängelt und für illegal erklärt werden. Ex­per­t*in­nen für Verfassungsrecht sagen: Alles ist möglich.

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