„Mai der Besetzungen“ der Klimabewegung: Occupy for future

Die Ak­ti­vis­t:in­nen von End Fossil besetzen europaweit Bildungseinrichtungen. In Berlin machte die HU und eine Schule in Hellersdorf den Anfang.

Studierende tauschen sich am Mittwoch Vormittag im besetzten Hörsaal aus

Studierende tauschen sich am Mittwoch Vormittag im besetzten Hörsaal aus Foto: Foto: Leonel Steinbrich

BERLIN taz | An den zwei Mitarbeitenden der Sicherheitsfirma vorbei geht es die Treppen rauf zum Emil-Fischer-Hörsaal der HU. Vor dem Eingang zum Hörsaal ist ein Tisch aufgebaut, auf dem Kaffee und ein großer Linseneintopf stehen. Im Hörsaal sitzen etwa 20 Menschen auf dem Boden und besprechen sich. Luftmatratzen und Schlafsäcke sind zu kleinen Schlaflagern zusammengelegt. Auf einem Transparent, was die Studierenden draußen ans Fenster gehängt haben, steht groß: „Die HU ist besetzt“.

Bereits am Dienstagnachmittag haben Stu­den­t:in­nen aus einer Vollversammlung heraus den Hörsaal der Humboldt-Universität in Mitte besetzt. Die Aktion ist Teil der neuen Besetzungswelle #mayweoccupy der Klimabewegung End Fossil, in deren Rahmen Schü­le­r:in­nen und Stu­den­t:in­nen Hörsäle und Schulen in ganz Europa in Beschlag nehmen. „Die fossile Wirtschaft wird weiterhin den Planeten aus Profitgier zerstören, wenn junge Menschen nicht eingreifen“, sagt End-Fossil-Sprecherin Rina Kern der taz am Mittwoch.

Die Studierenden fordern etwa die verbindliche Umsetzung des bereits bestehenden Klimaschutzkonzeptes der HU sowie eine Verschärfung der Zivilklausel, die Forschung zu Rüstungstechnologien an der HU explizit ausschließt. Außerdem sollen die seit dem Winter eingeschränkten Öffnungszeiten der Grimm-Bibliothek langfristig auch außerhalb der Klausurmonate ausgeweitet werden, um allen Studierenden den nötigen Raum fürs Studium zu geben.

Neben konkreten Forderungen an die Hochschulleitung verfolgt die internationale Kampagne noch ambitioniertere Ziele. So unterstützten die Ak­ti­vis­t:in­nen die Forderung der Gruppe Debt4Climate nach einem Schuldenschnitt für den globalen Süden. „Deutschland und andere Länder des globale Nordens stehen durch ihre kolonialen Verbrechen und das bestehende Ungleichgewicht beim CO2-Ausstoß in der Schuld“, sagt Levi, der seinen Nachnamen nicht nennen will, der taz. Außerdem unterstützen die Be­set­ze­r:in­nen die Kampagne „RWE Enteignen“, die eine Vergesellschaftung der Energieproduktion fordert.

End Fossil Occupy Seit September 2022 besetzt die in regionalen Ortsgruppen organisierte Bewegung international Schulen und Universitäten. Die Grundidee ist, dass jeder Gesellschaftsteil dazu beiträgt, gegen die Klimakrise zu kämpfen. Im Mai startet die zweite Besetzungswelle. Laut Angaben der Gruppe wurden am Mittwoch bereits 21 Bildungseinrichtungen besetzt, darunter auch in München, Wolfenbüttel, Magdeburg, Münster, Bielefeld, Regensburg und Bremen.

Breites Bündnis Der „Mai der Besetzungen“ erfolgt dieses Mal mit einem breiten Bündnis anderen linker Gruppen. Beteiligt sind unter anderem End Fossil, Genug ist Genug, der Jugendverband der Bildungsgewerkschaft GEW, Debt4Climate und Fridays For Future. (wah)

Die Hochschulleitung zeigte sich wenig erfreut: „Aufgrund der Besetzung kommt es zu erheblichen Beeinträchtigungen des Lehrbetriebs. Vorlesungen müssen entfallen oder werden ins Digitale verlegt“, sagt Sprecherin Heike Bräuer am Mittwoch der taz. „Die Nutzung der Räume der Universität für die Auseinandersetzung über gesellschaftliche Themen endet dort, wo dies die Ausübung von Forschung und Lehre beeinträchtigt.“ Das Präsidium hatte angekündigt, die Besetzung zunächst für 24 Stunden zu dulden. Für Mittwochnachmittag ist ein Gespräch zwischen Universitätsleitung und Ak­ti­vis­t:in­nen angesetzt. Die Studierenden hingegen haben bereits für fünf Tage ein Programm erarbeitet. Wie lange sie bleiben, machen sie von der Reaktion der Hochschulleitung abhängig: „Wir wollen gehört und ernst genommen werden“, erklärt Kern.

Bereits im November besetzte End Fossil einen Hörsaal der TU. Nach acht Tagen beendeten die Studierenden die Besetzung freiwillig. An der aktuellen Besetzungswelle ist ein deutlich breiteres Bündnis beteiligt: „Mit den Besetzungen wollen wir den Protest in den Alltag tragen“, sagt Kern.

In Marzahn-Hellersdorf besetzte eine Gruppe von rund zwanzig Schü­le­r:in­nen am Dienstagmorgen die Aula des Melanchthon-Gymnasiums. Nachdem die Schulleitung angeboten hatte, die Forderungen der Gruppe kommende Woche zu diskutieren, beendeten die Schü­le­r:in­nen die Besetzung freiwillig am Nachmittag.

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