Luftangriff verstärkt Fluchtbewegung: Verzweifelte Flucht nach Indien

Aus Myanmar fliehen immer mehr Menschen vor dem Militär nach Indien. Delhi will das verhindern, doch Indiens Nordosten nimmt die Flüchtenden auf.

Zwei Frauen verkaufen Waren auf der Straße

Indien, 22.11.2021: Geflüchtete aus Myanmar beim Straßenverkauf in Farkawn im Bundesstaat Mizoram Foto: Mike Collett-White/reuters

MUMBAI taz | Die Bilder, die Mitte April aus Myanmar um die Welt gingen, waren erschütternd. Rund 170 Menschen, darunter Frauen und Kinder, starben bei einem Luftangriff der Militärjunta in der Region Sagaing. Laut einem Juntasprecher richtete sich der Angriff gegen oppositionelle Milizen und sollte zur Stabilität beitragen. UN-Generalsekretär António Guterres und westliche Regierungen verurteilten den Angriff vom 12. April scharf.

In den Tagen danach flohen mehr als 800 Menschen nur in den kleinen angrenzenden indischen Bundesstaat Mizoram, berichteten Vertreter der Myanmar Refugee Village Committees (VLCMR) indischen Medien.

Mizoram hat Schätzungen zufolge zwischen 31.000 und 40.000 Flüchtlinge aus Myanmar aufgenommen, seit Myanmars demokratisch gewählte Regierung von Aung San Suu Kyi am 1. Februar 2021 vom Militär gestürzt worden war.

„Derzeit suchen 1.812 Flüchtlinge im Dorf Farkawn Schutz“, sagte der VLCMR-Sekretär T. Lalrindika der Times of India. Der eskalierende Bürgerkrieg zwischen Myanmars Armee und ethnischen und lokalen Rebellengruppen im China-Staat, der an Indien angrenzent, sei ein Hauptgrund für den erneuten Anstieg der Flüchtlingszahlen.

Myanmars Militär gerät unter Druck

Berichten zufolge haben die Angriffe militanter Gruppen und lokaler bewaffneter Widerstandsgruppen, insbesondere der Chin Defense Force (CDF), auf Patrouillen der Armee zugenommen. Deren Vergeltungsmaßnahmen trieben Menschen in die Flucht. Am letzten Samstag soll laut dem US-Sender Radio Free Asia (RFA) im Chin-Staat das Militär erneut angegriffen haben.

Wegen ethnischer Verbindungen zu Myanmars Chin hat Mizoram bisher Flüchtlinge trotz eines Verbots der indischen Zentralregierung aufgenommen und unterstützt.

Myanmar grenzt an drei weitere nordöstliche indische Bundesstaaten – Nagaland, Arunachal Pradesh und Manipur. Men­schen­rechts­ak­ti­vis­t:in­nen fordern die Regierung in ­Delhi bisher vergeblich auf, die Geflüchteten mit zu unterstützen.

Im März 2021, also schon kurz nach dem Putsch, hatte Indiens Außenministerium die an Myanmar grenzenden indischen Staaten aufgefordert, Flüchtlinge von dort abzuschieben. Die vier nordostindischen Staaten seien nicht befugt, Menschen offiziell einen Flüchtlingsstatus zu gewähren, da Indien die UN-Flüchtlingskonvention von 1951 und das Zusatzprotokoll von 1967 nicht unterzeichnet habe. Generell ist Indiens Asylpolitik zurückhaltend. Doch stieß diese harte Haltung in Mizoram auf Widerstand.

Delhi denkt bei Myanmar auch an die Rivalität mit Peking

Das Verhältnis der Regierung in Delhi zu Myanmars Junta ist vor allem pragmatisch. „Nach dem Staatsstreich engagiert sich Indien unter der Führung der hindunationalistischen Regierung von Premier Narendra Modi wieder für die Junta in Myanmar und verfolgt dabei strategische und wirtschaftliche Interessen“, sagt Angshuman Choudhury vom Centre for Policy Research in Delhi.

Zwar gebe es auch eine gewisse Unterstützung für Myanmars demokratischen Widerstand, doch bleibe sie unter der Aufmerksamkeitsschwelle. Schon vor dem Putsch sei Delhi auf die Kooperation der Generäle Myanmars angewiesen gewesen, um Aufstände in Indiens unruhigem Nordosten im Schach halten zu können, sagt Choudhury.

Die gestürzte Aung San Suu Kyi, die inzwischen zu 33 Jahren Haft verurteilt wurde, hatte früher gute Beziehungen zu Delhi. Ihre Mutter war dort einst Botschafterin gewesen. Doch Indiens Regierung schlug schon unter Myanmars früherer Militärregierung einen juntafreundlichen Kurs ein, um die Generäle nicht noch stärker in Chinas Arme zu treiben. Inzwischen sind innerhalb Myanmars 1,4 Millionen Menschen auf der Flucht, zehntausende sind ins Ausland geflohen.

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