Tauschen statt kaufen: Gegen das Image von Second Hand

Noch immer ist es etwas gewöhnungsbedürftig, gebrauchte Dinge anzunehmen. Die Berliner Tausch-Leih-Tage wollen dem entgegenwirken.

Eine Box zum Tauschen

Die Freebox am Abenteuerspielplatz in der Kollwitzstraße Foto: Clara Zink

BERLIN taz | Vor dem Abenteuerspielplatz „Kolle 37“ in der Kollwitzstraße ist am Freitagnachmittag eine lange Tafel aufgebaut. Immer wieder fährt ein Kind auf einem Fahrrad mit Anhänger vorbei, auf dem „Taxi“ steht, und lädt Pizza auf den Tischen ab, die die Kinder selbst gebacken haben. Pas­san­t*in­nen reagieren neugierig, aber zurückhaltend auf das Nachbarschaftsessen. Zögerlich setzen sich manche dann doch dazu, essen ein Stück Pizza und fragen nach, was es mit dem Angebot auf sich habe.

Die Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung „Kolle 37“ existiert seit 1990 in Prenzlauer Berg. Das Nachbar*innenessen, das am Freitag vor der Einrichtung organisiert wurde, war nur eine von vielen Aktionen, auf die am Wochenende im Rahmen der Berliner Tausch-Leih-Tage aufmerksam gemacht wurde. Die Aktionstage wurden von Zero Waste Berlin ins Leben gerufen, ein Projekt des BUND Berlin, das Ber­li­ne­r*in­nen zu nachhaltigem Konsum inspirieren möchte.

„Die Tausch-Leih-Tage sollen dazu anregen, den eigenen Konsum zu reflektieren, Produkte länger zu nutzen und Neukäufe zu reduzieren“, erklärt Tamina Hipp, Projektkoordinatorin von Zero Waste Berlin. Der Abenteuerspielplatz stellt dafür seit etwa anderthalb Jahren eine „Freebox“ zur Verfügung: Sie kann von der Straße aus betreten werden, nicht mehr gebrauchte Produkte können hier abgelegt und bei Bedarf umsonst mitgenommen werden. „Ressourcen sind nun einmal knapp, mit der Freebox haben wir hier also einen gewissen Kreislauf ins Leben gerufen, um dem entgegenzuwirken“, erklärt Jerôme Fink. Er ist Erzieher und arbeitet seit elf Jahren in der „Kolle 37“.

Die Kinder- und Jugendeinrichtung nahm die Tausch-Leih-Tage auch zum Anlass, um auf ihr Angebot als Freizeiteinrichtung aufmerksam zu machen und mit Nach­ba­r*in­nen über die Zukunft im Kiez zu sprechen. Auch das ist ganz im Sinne der Aktion: „Wir legen die Tausch-Leih-Tage jedes Jahr mit dem Tag der Nachbarschaft zusammen, um den Aspekt der Gemeinschaft zu betonen“, erklärt Tamina Hipp.

„Wir brauchen Verbündete“

Auf Austausch und Vernetzung legt die „Kolle 37“ generell viel Wert: Als offenes Angebot setzt sie auf Freiwilligkeit. „Gleichzeitig sind wir eine Bildungseinrichtung, die im öffentlichen Diskurs leider kaum eine Rolle spielt“, erklärt Fink. Das sei ein Problem: Da sich die „Kolle 37“ in freier Trägerschaft befinde und nicht ausreichend öffentlich gefördert werde, sei sie in der Vergangenheit immer wieder in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Auch deshalb sei es so wichtig, sich zu vernetzen, sagt Fink: „Der Kiez hat sich mit den Jahren verändert, und wenn wir hier irgendwann mal rausgeworfen werden sollten, brauchen wir Verbündete.“

Stadtweit werden Ber­li­ne­r*in­nen während der Tausch-Leih-Tage dazu aufgerufen, Veranstaltungen zum Thema Teilen und Tauschen durchzuführen. „Durch die Aktionstage soll aber auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass es bereits zahlreiche etablierte Angebote in Berlin gibt“, erklärt Tamina Hipp. Nicht nur während der Tausch-Leih-Tage können Sharing-Angebote, Schenkboxen, Fairteiler oder Werkzeugverleihe in Berlin über die sogenannte „Re-Map“ gefunden werden, eine Webseite, auf der Zero Waste Berlin alle städtischen Angebote zum Thema Wiederverwertung sammelt.

Eines dieser etablierten Angebote ist der Ressourcenladen „Resi“ in der Bouchéstraße in Alt-Treptow: Seit einem Jahr hat der Laden mittlerweile geöffnet und wird vom „Prima Klima Lebenswelt e. V.“ finanziert. Im Laden werden verschiedene Workshops, zum Beispiel zum Thema „nachhaltiges Basteln“, und Repair-Cafés angeboten, bei denen man beim Reparieren von Textil- und Elektrogegenständen unterstützt wird.

Außerdem verleiht der Laden kostenlos Lastenräder und diverse andere gespendete Gegenstände. „Nur ein Pfand muss immer hinterlassen werden, der in etwa dem Wert der ausgeliehenen Sache entspricht“, erklärt Edda Nadine Neugebauer, die über das Stadtteilzentrum fest im „Resi“ angestellt ist.

Dass Leihangebote wie der Resi-Laden so gut angenommen würden, sei immer noch nicht selbstverständlich, erklärt Tamina Hipp von Zero Waste Berlin: „Knackpunkt ist das Image von Secondhand. Früher war das normal, Dinge weiterzureichen, und unter Bekannten ist es das vielleicht immer noch“, sagt sie. Aber von Fremden etwas anzunehmen sei in manchen Kreisen immer noch verpönt. „Dabei ist das eine Wertschätzung der Dinge, ihnen ein zweites Leben zu schenken.“

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