Lästiges Umweltsünder-Image: Die Optimierung der Lieferketten

Online-Supermärkte wie Oda und Knuspr werben damit, nachhaltiger zu sein als der stationäre Handel. Ist da etwas dran?

Ein Lieferwagen von Rewe fährt die Straße entlang

Rewe und Co sind nicht allein: Mitbewerber wie Oda oder Knuspr versprechen mehr Nachhaltigkeit Foto: Jochen Tack/imago

Der Markt für Direktlieferungen von Lebensmitteln wächst. Immer wieder treten neue Player auf und wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Den Riesen der Branche, die auch hier Amazon, Rewe und Edeka heißen, wollen sie nicht das ganze Feld überlassen.

Allerdings sind Online-Supermärkte bisher dafür bekannt, noch mehr Müll zu verursachen als der stationäre Handel: Kartonage, Kühlbehältnisse und Plastikfolie fallen an, dazu kommen noch die Emissionen für die Lieferung nach Hause. Doch neue Online-Anbieter wie Oda und Knuspr versuchen dieses Image des Umweltsünders zu drehen.

Oda ist ein norwegischer Lieferant, der erst seit Anfang des Jahres auch in Deutschland liefert, aktuell in und um Berlin und in Teilen Niedersachsens. Das Unternehmen hat „die Mission, das effektivste Retail-System der Welt aufzubauen und Ineffizienzen in der Lieferkette für Lebensmittel zu beseitigen“, wie es auf seiner Website schreibt.

Und auch Knuspr will „echt nachhaltig“ sein. Das Unternehmen wirbt damit, dass es mit einem Standort den Bedarf von 40 Supermärkten abdecken kann. Derzeit liefert Knuspr um München und im Rhein-Main-Gebiet.

Beide Unternehmen versuchen die Verpackungsmenge zu reduzieren. Knuspr-Kund:innen können sich auch für Mehrwegtüten und Pfandgläser entscheiden. Oda habe über Mehrwegbehälter für die Einkäufe diskutiert, so Timea Rüb, PR-Managerin des Unternehmens. Diese müssten aber nach jedem Nutzen gereinigt werden. Auch das koste Energie. Oda arbeitet daher mit Kartons, die danach in die Papiertonne wandern.

Zu viel Verpackungsmüll

Bei anderen Anbietern im Online-Segment fällt tatsächlich mehr Verpackungsmüll an, wie eine Analyse des Verbraucherportals Foodwatch zeigt. Einige Supermärkte liefern Kühlpacks oder mehrere Papier- und Plastiktüten mit. Jene Anbieter, die keine eigene Transportinfrastruktur haben und per Post verschicken, nutzen dann noch Füllmaterial wie Luftpolsterfolie und Styropor.

Ein Großteil des Mülls und der Emissionen, die der Lebensmitteleinzelhandel verursacht, fallen allerdings an, noch bevor die Kon­su­men­t:in­nen vor den stationären oder virtuellen Regalen stehen. Die Transportverpackungen für die Reise von der Produktion zum Lager und dann in den Supermarkt machen etwa das Doppelte des Verpackungsmülls aus, den Kon­su­men­t:in­nen sich in den Korb legen. Das zeigt eine Untersuchung des Nabu und der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung – und das ändern auch die Lebensmittellieferanten nicht.

Ein weiterer Aspekt ist das Problem des Wegwerfens. Im stationären Handel werden etwa 1,5 Prozent aller Lebensmittel weggeschmissen, hat das bundeseigene Thünen-Institut herausgefunden. Bei Oda und Knuspr sind es laut deren eigenen Angaben mit 0,5 und 0,1 Prozent deutlich weniger. „Als Online-Lebensmittelhändler können wir sehr gut prognostizieren, wie viel gebraucht wird“, sagt Oda-Managerin Timea Rüb. „Daran können wir sehr gut unseren Einkauf ausrichten.“ Bei Knuspr gibt es ein „dynamisches Preissystem“, wie Manuel Kalleder, Pressesprecher des Unternehmens, erklärt. Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum kurz bevorstehe, würden automatisch reduziert.

Bessere Routenplanung

Die Nachhaltigkeit des Online-Shoppings lässt sich auch durch geschickte Routenplanung verbessern: Wenn ein Auto die Einkäufe für viele Haushalte liefert, fallen weniger Emissionen an, als wenn jeder Haushalt separat losfährt.

Daher bietet Knuspr „Eco Slots“ für die Lieferung an. Das heißt, dass mindestens ein weiterer Kunde im Umkreis von 500 Metern eine Lieferung zugestellt bekommt. Dadurch werde die Lieferung „NOCH nachhaltiger“, so Knuspr. Auch bei Oda lässt sich eine „Eco-Lieferung“ buchen: Wählen Kun­d:in­nen größere Lieferzeitfenster aus, können Routen effizienter geplant werden.

Für das Einsparungsversprechen liefert Oda auch gleich konkrete Zahlen: 60 Prozent weniger Emissionen soll ein Einkauf mit Oda gegenüber Einkäufen in konventionellen Supermärkten verursachen. Das Unternehmen zitiert eine entsprechende Studie einer Consulting-Firma.

Diese Emissionsdifferenz hängt primär vom Transportweg zwischen Supermarkt und Kun­d:in­nen ab. In einem durchschnittlichen Supermarkt kommen laut Studie 2,8 Kilogramm CO2 pro Einkauf zusammen. Beim Online-Shopping seien es nur ein Kilogramm. Dieser Wert, das steht so auch im Fazit der Studie, hängt jedoch maßgeblich vom Verkehrsmittel der Käu­fe­r:in­nen ab, das sie beim konventionellen Einkauf verwenden: mit dem Rad oder zu Fuß sind die Emissionen für diesen Weg gleich null.

Der Transport ist beim Lebensmittelversand ein ­heikler Punkt. Es ist nur dann effizient, einen Transporter mit Lebensmitteln loszuschicken, wenn dieser bei möglichst vielen Haushalten hält. Dann sinken die Emissionen pro Einkauf. Wie viele Lebensmittelpakete in einem Wagen mitfahren, veröffentliche Oda nicht, sagt Sprecherin Timea Rüb. In Norwegen seien es im Schnitt 30 Bestellungen. Dadurch, dass Oda noch nicht so lange auf dem deutschen Markt ist, seien die Lieferwagen in Deutschland noch nicht so voll. Bei Knuspr beliefert ein Wagen im Durchschnitt 12 Haushalte mit Waren.

Hier offenbart sich ein Grundproblem des ­Onlineversands: Nutzen ihn nur wenige, müssen große Autos für lange Strecken und wenig Ware ausrücken. „Es wird zu viel Luft transportiert“, sagt Katharina Istel, Referentin für Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung beim Nabu. Das gelte für den gesamten Onlinehandel, also auch beim Lebensmittelversand.

Die Frage der Effizienz

Gerade bei Konzepten wie dem „same day delivery“, wie es auch von Knuspr angeboten wird, stelle sich die Frage nach der Effizienz. Auf Dauer können es sich Versandunternehmen nicht leisten, einzeln die Ware zu Kun­d:in­nen zu fahren. Besser wäre es, wenn sich verschiedene Versandunternehmen zusammentun würden, um die Strecke „auf der letzten Meile“ zu fahren. „Man kann solche Unternehmen auch ökologisch organisieren“, meint Katharina Istel. Sie wünsche sich, dass die Unternehmen den Gedanken jetzt schon stärker verfolgen. Schließlich sei absehbar, dass immer mehr Menschen auch ihre Lebensmittel online kaufen.

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