Deutschlands größter Asia-Markt in Berlin: Eine Frühlingswiese fürs Geschäft

Das Dong-Xuan-Center ist Deutschlands größter Asiamarkt. Es ist exotischer Hotspot für Touristen, Treffpunkt der vietnamesischen Community – und umstritten.

Illustration mit Lampions und Geschirr

Eigentlich findet sich im Dong-Xuan-Center alles, mit einer fernöstlichen Note Illustration: Jeong Hwa Min

BERLIN taz | Rucksäcke sind hier für weniger als 20 Euro zu haben, Toilettendeckel gibt es für weniger als zehn Euro, daneben stehen schrillbunte Kitschfiguren. Ein Laden bietet gute Designermode aus Italien an, im Nachbarladen liegen billige Handtücher aus Fernost aus. Im Nagelstudio gegenüber werden Kundinnen Tisch an Tisch bedient. Asiatische Kinder fahren mit ihren Dreirädern über die Gänge.

Willkommen im Dong-Xuan-Center in Berlin, dem größten Asiamarkt Deutschlands. „Dong Xuan“ ist Vietnamesisch und heißt „Frühlingswiese“, doch das ist nicht der Grund für die Namensgebung. Vielmehr wurde der Markt nach dem Vorbild des größten Marktes in Hanoi benannt.

Der Markt im Berliner Bezirk Lichtenberg umfasst sieben Gewerbehallen und weitere Gebäude auf 165.000 Quadratmetern. Gegründet wurde er 2005 von dem Vietnamesen Nguyen Van Hien, der sich in vietnamesischen Medien als erfolgreicher Geschäftsmann feiern lässt. Deutsche Medien, in denen sein Center öfter mal auch in der Kritik steht, scheut er dagegen.

Am Anfang waren auch fast alle Händler, die hier ihre Waren anboten, Vietnamesen. Inzwischen sind viele davon bereits in Rente oder pleite gegangen, neben den wenigen verbliebenen verkaufen hier Inder, Pakistani, Afghanen, Syrer, Chinesen, Türken und Lateinamerikaner Waren. Das Dong-Xuan-Center ist eines der multikulturellsten in Berlin.

Die Besonderheit

Das Dong-Xuan-Center ist ein quirliger, bunter Ort voller Leben, an dem gearbeitet wird und manche Regeln nicht so genau genommen werden. Die Restaurants hier sind authentisch vietnamesisch: Leckere landestypische Küche, manchmal eben auch mit nicht ganz so freundlicher Bedienung.

Die Zielgruppe

Einzelhändler kommen aus Nord- und Ostdeutschland sowie aus Westpolen hierher, um für ihre Geschäfte einzukaufen. Vietnamesen aus ganz Deutschland treffen sich hier am Wochenende. Anwohner aus Lichtenberg gehen zum Friseur, zur Kosmetik, ins Restaurant oder um billig im exotischen Ambiente einzukaufen. Und zunehmend Touristen.

Hindernisse auf dem Weg

Dienstag ist geschlossen. Parkplätze sind knapp. Die Tramlinien M8 oder 21 halten vor der Tür.

Dass viele Leute – gerade an den Wochenenden – hier nur zum Gucken kommen, weil der Ort so exotisch ist, und dann nichts kaufen, das ärgert allerdings den Afghanen in einem Laden für Kleinelektronik. Er bietet LED-Lampen, Kopfhörer und Ladegeräte im Großhandel an. Und noch etwas anderes stört ihn, sagt er der taz: Die illegalen Straßenhändler vor den Toren des Dong-Xuan-Centers. „Sie handeln mit Waren, wie ich sie verkaufe. Sie zahlen keine Miete und machen mein Geschäft kaputt“, klagt er. Die Polizei käme zu selten.

Ein Ort abseits des Planungsrechts

Das Dong-Xuan-Center ist etwas, was das deutsche Planungsrecht eigentlich gar nicht vorsieht: Offiziell ist es ein Großhandelszentrum, darum gilt das Ladenschlussgesetz hier nicht. Sonntag ist geöffnet. Tatsächlich macht es aber genau die Anziehungskraft des Ortes aus, dass hier alle schauen und einkaufen können. Schilder wie „Nur Großhandel“ an einzelnen Geschäften sind die Ausnahme. 2012 hatte der damalige SPD-Bezirksbürgermeister der taz noch gesagt: „Wir tolerieren als Bezirk den geringfügigen Einzelhandel.“ Er hatte sich über den bunten Ort gefreut, an dem Berliner und Touristen „ihrem Bedürfnis nach exotischem Einkauf nachgehen“.

Zwischenzeitig hat sich politisch der Wind gedreht. Das Dong-Xuan-Center steht auf einer der immer weniger werdenden Flächen Berlins, auf denen sich produktives Gewerbe ansiedeln darf. Die Behörden sind angehalten, darauf zu achten, dass hier tatsächlich nur Industrie oder Großhandel stattfindet. Der Einzelhandel, aber auch die zahlreichen Nagelstudios, Friseur- und Tattooläden, die anders als die Großhandelsgeschäfte noch fast ausschließlich von Vietnamesen betrieben werden und wie das gesamte Center gleichfalls sonntags öffnen (was sie zwar nicht dürfen, was aber auch niemand kon-trolliert), sollten in die Wohngebiete umziehen. Doch diese klagten vor Gericht, die vietnamesische Community wehrte sich politisch, und ein runder Tisch im Bezirk hat beschlossen, die Struktur zu erhalten. Juristisch ist das aber noch nicht abgesichert.

In den vergangenen Jahren war in den Medien viel über das Dong-Xuan-Center als Drehscheibe des vietnamesischen Menschenhandels zu lesen. Die Berichte stützten sich dabei meist auf dementsprechende Äußerungen der Bundespolizei. Vor Gericht konnten diese Behauptungen eher selten erhärtet werden, insofern scheint die Darstellung als Drehscheibe übertrieben.

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Vietnam nutzt das Center als Bühne

Und sie lässt außer Acht, was das Dong-Xuan-Center auch ist: Ein Ort, an dem sich Vietnamesen treffen. Das nutzen auch Offizielle aus dem autoritär regierten Vietnam, um die hier lebende Community politisch an sich binden.

So werden Jubelveranstaltungen für den vietnamesischen Staat wie beispielsweise zum Geburtstag von Ho Chi Minh im Mai von bis zu 1.000 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet besucht. Wenn führende Politiker aus vietnamesischen Provinzen in Berlin sind, treffen sie oft hier auch mit Menschen zusammen, die aus dieser Provinz stammen, werben um Investitionen und um Stimmen, die die Politik in Vietnam gutheißen. Von solchen Veranstaltungen bekommen die Touristen im Dong-Xuan-Center gar nichts mit.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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