US-Sängerin Janelle Monáe: Leicht wie eine Feder

Freude über die eigene Existenz, die kämpferisch zelebriert wird: US-Popsängerin Janelle Monáe veröffentlicht ihr neues Album „The Age of Pleasure“.

Janelle Monae mit Strohhut und nacktem Oberkörper. eine Brust wird von ihren Haaren bedeckt, die andere von ihrer Hand

Janelle Monáe bleibt ungreifbar, und das honoriert der Markt nicht Foto: Mason Rose

Durch die Decke gegangen ist Janelle Monáe mit ihrer Musik bislang nicht. Also kein Number-one-Hit in den US-Charts, keine ausverkauften Stadien, und man fragt sich schon, warum. Denn eigentlich passt der genreübergreifende R&B der 37-jährigen Künstlerin wunderbar zu allem, was aktuell an Musik und an Diskursen so läuft.

Neben eher banalen Gründen wie den langen Pausen zwischen den Alben, das letzte, „Dirty Computer“, erschien 2018, mag es daran liegen, dass Janelle Monáe sich gern in einem nicht leicht greifbaren Dazwischen bewegt: auch als Schauspielerin in den Filmen „Homecoming“ und „Glass Onion: A Knives Out Mystery“ zum Beispiel. Wobei auch die Musik von Monáe immer filmisch gedacht ist, auf der ersten EP und dem im guten Sinne überladenen Debütalbum „The ArchAndroid“. Jene zwei Veröffentlichungen von Monae erzählten eine Science-Fiction-Story und platzten musikalisch aus allen Nähten.

Die Tracks mäandern: fett produzierter, von der Kri­ti­k reihum abgefeierter R&B mit Verbindungen zu Funk und Soul zum einen, revolutionär gestimmte afrofuturistische Concept-Art zum anderen. Kritiker:innen, denen das alles zu ambitioniert und over the top erschien, meinten: Monáes Musik hole die konzeptuelle Ebene nicht unbedingt ein.

Janelle Monáe bleibt ungreifbar

Aber wieso eigentlich? Songs wie zum Beispiel der mit Big Boi (ehedem Outkast) aufgenommene Track „Tightrope“ müssten in einer vernünftigen Welt Hits werden: „Tightrope“ schaffte es nur in Belgien und Südkorea in die Charts. Ein treibender Soul-Oldschool-Funk-Bigband-Hybrid, der über die Big-Boi-Performance auch die Südstaaten-HipHop-Tradition der 3rd Coast Atlanta mitnimmt. Das Gerüst bildet R&B, aber das Haus von Janelle Monae ist vollgestopft mit Versatzstücken wie Afrobeat, HipHop, jamaikanischer Dancehall und neuerer Dance Music aus Äthiopien.

Oder aber es liegt an der Selbstsituierung zwischen Big-Business und eigensinniger Kunst. Janelle Monáe bleibt ungreifbar, und das honoriert der Markt nicht.

Wenn ich von Gott bin, bin ich alles

Was einen zu der vielleicht plausibelsten Erklärung der ja auch nur brotlosen Kunst bringt (im Vergleich zu Superstars wie Beyoncé und Billie Eilish). Nämlich der, dass hier vielleicht ein Mensch schlicht keine besonders ausgeprägte Lust hat, zum Star zu werden, obwohl das ohne Weiteres möglich wäre. Weil so eine Starposition die eigene Kunst und Experimentierfreude auch belasten würde. Ein weiterer Ort, der von vielen als eine Art Dazwischen wahrgenommen wird, spielt seit 2022 eine Rolle in der Wahrnehmung der Kunst Monáes: „Ich fühle da eine größere Energie und habe das Gefühl, dass Gott so viel größer ist, als ein ‚er‘ oder eine ‚sie‘“, erklärte Monae in der Talkshow „Red Table Talk“. „Wenn ich von Gott bin, bin ich alles.“ Monae wolle sich „in jeden schönen Geist“ verlieben können und definierte sich als non-binary.

Ähnlich verhält es sich mit der Musik, die will auch keine Grenzen, die aus anderen Quellen kommen denn aus den eigenen Bedürfnissen und den Verhältnissen, die man als freie/r, zum Beispiel nicht von Erfolgsstrategien abhängige/r Künst­le­r:in mit anderen eingeht. Warten wir es ab, ob sich das mit dem neuen Moná-Album „The Age of Pleasure“ ändern wird.

Das Sommer-Party-Album

Zumindest das Kunstfigurhafte, das die ersten drei Werke bestimmte, ist nun in den Hintergrund geraten. Eine Art Geschichte wird trotzdem weitergesponnen. Die Songs aus dem Zeitalter des Vergnügens spielen in einer Welt, in der das Regime, das Monáe und die „comrades* in arms“ auf dem Vorgängeralbum „Dirty Computer“ noch bekämpften, zerstört worden ist. Der Auftaktsong „Floar“, erklärt die einstige Par­ti­sa­n*in zum „free-ass motherfucker“.

Janelle Monáe: „The Age of Pleasure“ (Wondaland Arts Society/Atlantic/Warner).

„The Age of Pleasure“ ist so etwas wie Janelle Monáes Sommer-Party-Album geworden. Und damit auch ihr zugänglichstes Werk bis jetzt. „I’m light as a feather, I’m light as a feather / Baby, I float / It’s hard to look at my resume and not find a rea­son to toast.“

Im Zentrum der Musik steht schiere Freude über die eigene Existenz, die wieder kämpferisch zelebriert wird. Das schlägt sich auch im Sound wieder, der so etwas wie ein eklektisches, panafrikanisches Amalgam bildet. Dazu kommen Generationen verbindende Gastauftritte, etwa von Seun Kuti, Grace Jones und Amaarae.

Grenzen zwischen Geschlechtern lösen sich auf

Man kann „The Age of Pleasure“ auf zwei Weisen hören. Als panafrikanische und pansexuelle Utopie, deren Songs davon erzählen und das Versprechen formulieren, wie und dass sich historisch definierte und gewachsene Grenzen zwischen Geschlechtern und Nationen auflösen. Oder als Sommeralbum, das 14 schwebende und trotzdem intensiv aufgeladene Tracks versammelt. Oder, im besten Fall, beides im selben Moment.

Vielleicht klappt es dieses Mal endlich mit dem Durchbruch. Etwas viel Besseres als Janelle Monáe könnte dem R&B gerade nicht passieren.

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