Dorfentwicklung in Schleswig-Holstein: Deutlich weniger Geld aus Berlin

Bundesfinanzminister Lindner will beim Bund-Länder-Programm „Agrarstruktur und Küstenschutz“ sparen. Gemeinden in Schleswig-Holstein sind alarmiert.

Im Vordergrund ein Traktor auf einer grünen Wiese, im Hintergrund ein weiß-rot geringelter Leuchtturm.

Von Sparmaßnahmen bedroht: Dorfstrukturen in Schleswig-Holstein wie hier auf der Insel Pellworm Foto: Carsten Rehder/dpa

HAMBURG taz | Der schleswig-holsteinische Gemeindetag schlägt Alarm. Seitdem die Sparpläne von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) öffentlich sind, haben ländliche Gemeinden die Sorge, dass wichtige Schlüsselprojekte auf der Strecke bleiben werden.

Anfang Juni war bekannt geworden, wo Lindner im Bundeshaushalt 2024 sparen will – und zwar unter anderem bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK), einem Bund-Länder-Programm. Der Etat soll um 300 Millionen Euro gekürzt werden. In Schleswig-Holstein würden dadurch nur noch 48 Millionen statt 65 Millionen ankommen.

Die sogenannten Gemeinschaftsaufgaben wurden Ende der 1960er in das Grundgesetz eingeführt, um zu ermöglichen, dass der Bund ausnahmsweise trotz der föderalen Trennung von Bund- und Ländern bei Aufgaben der Länder mitwirken kann, wenn das zu einer Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist.

„Kann das wirklich wahr sein?“, dachte Jörg Bülow, Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen Gemeindetages, als er von den Kürzungsplänen hörte. „Wenn die Nachrichten zutreffen, wäre das schlecht für die Kommunen und ein Affront gegenüber den Ländern“, sagt Bülow. Er glaubt, dass besonders der Sonderrahmenplan „Förderung der ländlichen Entwicklung“, der einen Teil der GAK darstellt, in Gefahr ist, da dieser bereits im letzten Jahr gekürzt worden sei und es bisher auch keine Zusage zur Fortführung für 2024 gebe.

Projekte mit viel Bürgerbeteiligung

Unter anderem „vitale Dörfer und ländliche Räume“ sollen mit der GAK gefördert werden. Konkret sind das etwa der Umbau einer alten Schule in ein Bildungshaus in Groß Rheide, einer Gemeinde in der Schleswiger Vorgeest, oder der Bau eines „Dörpshuus“, eines Dorfgemeinschaftshauses in Norstedt im Kreis Nordfriesland.

„Viele weitere derartige Projekte sind in Vorbereitung und könnten bei Wegfall des Sonderrahmenplans nicht mehr gefördert werden, obwohl sie zuvor mit viel Bürgerbeteiligung entwickelt wurden“, sagt Bülow. Es gehe dabei um Themen wie „Wohnen, Arbeitsplätze, soziale Infrastruktur“ und „attraktive Ortskerne“.

Auch Yannek Drees ist besorgt. Er ist Geschäftsführer der Flusslandschaft Eider-Treene-Sorge, einem Zusammenschluss von 122 Gemeinden. Gemeinsam haben Sie einen Brief an die Bundestagsabgeordneten aus dem nördlichen Schleswig-Holstein geschrieben. Darin weisen sie darauf hin, wie wichtig die Projekte ihrer Meinung nach für die Demokratie sind.

Dass die meisten Projekte mit viel Bür­ge­r*in­nen­be­tei­li­gung geplant wurden, zeige den Menschen, „warum es gut ist, in einer Demokratie zu leben“, heißt es im Brief. Sollte es weniger Geld geben, befürchten die Gemeinden, dass die Motivation, sich „individuelle, demokratisch legitimierte Zukunftsplanung zu geben“, sinkt.

„Bitte machen Sie sich sofort und mit Nachdruck für die Förderung der ländlichen Räume stark!“, schreiben die Gemeinden. Für Yannek Drees geht es dabei auch um Gerechtigkeit: „Die ländlichen Räume sind unterfinanziert, es leben aber die meisten Menschen hier.“

Jörg Bülow sieht auch das Land „in der Pflicht, für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen“. Von der Landesregierung erwartet er, dass sie sich beim Bund gegen die Kürzungspläne einsetzt. „Im Falle des Falles“ solle diese auch dafür sorgen, dass die Schlüsselprojekte mit Landesgeldern umgesetzt werden.

Landesfinanzministerin macht wenig Hoffnung

Monika Heinold (Grüne), die Finanzministerin Schleswig-Holsteins, macht den Dörfern keine Hoffnung auf eine Projektfinanzierung aus Landesmitteln: „Die Finanzlage des Landes ist extrem angespannt“, sagt sie und verweist auch auf den Grund dafür: „Steuermindereinnahmen aus Steuerentlastungspaketen stellen Bund und Länder vor enorme finanzielle Herausforderungen.“ Sie appelliert an den Bund, „seine Haushaltslöcher nicht durch Streichprogramme zu stopfen, die überwiegend den ländlichen Raum treffen“.

Aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums war zu hören, dass das Finanzgeflecht zwischen Bund, Ländern und Kommunen in den letzten Jahren in eine „beachtliche Schieflage“ zu Lasten des Bundes geraten sei. Man wolle wieder zu dem „im Grundgesetz verankerten Regelfall“ zurückfinden, in dem Bund und Länder ihre Aufgaben jeweils selbst finanzieren. Das von Christian Lindner geführte Bundesfinanzministerium wollte sich während der laufenden Haushaltsverhandlungen nicht zu den Forderungen äußern.

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