Verhandlungen um Klimapolitik: Hochachtung fürs Bretterbohren

Tagelange Verhandlungen um Klimapolitik erfordern ein dickes Fell. Unser Autor würde das nicht aushalten. Umso größer ist sein Respekt.

Menschen diskutieren. Im Hintergrund ein Banner mit der Schrift "End fossil fuels"

Die UN-Klimakonferenz in Bonn Foto: Benjamin Westhoff/epa

Am Ende waren alle frustriert. Tagelang und nächtelang hatten sie geredet, um jedes Komma gefeilscht. Kompromisse wurden geschlossen, dann in letzter Minute einkassiert. Vor den Kameras wurden Dinge erzählt, von denen nie die Rede gewesen war. Und klar, Schuld hatten immer nur die anderen.

Dabei kannten sie sich so gut. So lange und so häufig hatten sie zusammengesessen. Trotzdem konnte der oder die Gegenüber mit einer plötzlichen neuen Überzeugung überraschen. Und diese Zeitverschwendung! Für nichts und wieder nichts in Sitzungen sitzen und in Stehungen stehen, während draußen die Leute im Biergarten saßen oder mit ihren Kindern ein Eis am Sandkasten schleckten.

Oh Mensch, und dann die schlechte Stimmung, das gegenseitige Angeblaffe, das schlechte Essen, das viele Sitzen und Kaffeetrinken, das Sodbrennen! Und immer dieser Blödsinn, mit dem die andere Seite kam, diese falschen Lösungen, die alles nur noch schlimmer machten. Das Aufeinanderprallen von verschiedenen Kulturen und Lebensstilen, von fremden Sprachen und noch fremderen Ideologien. Der Formalkram, diese ritualisierten Vorwürfe: „Ihr wollt alles verbieten!“ gegen „Ihr ignoriert die Fakten!“.

Und vor allem, dieses Gefühl: Die Leute, mit denen man hier am Tisch sitzt, wollen eigentlich gar keine Lösung. Sondern nur verzögern, unmöglich machen.

Schreiend den Verhandlungstisch verlassen?

Sie fragen: Wovon redet der? Und ich gestehe: Das weiß ich auch nicht genau. Irgendwie verschwimmt alles, wenn man zwei Wochen lang praktisch nur mit Menschen redet, die bei den UN-Klimaverhandlungen und beim Gezerre um das „Gebäudeenergiegesetz“ in der Ampelkoalition leitende und leidende Positionen einnehmen.

Es gibt da erstaunliche Parallelen: Sind die Grünen wirklich wie die EU: Immer das Beste wollen, aber, hach, oft so ungeschickt? Ist die FDP wirklich das Saudi-Arabien der Ampelkoalition? Und die SPD in der Rolle der USA – immer die eigenen Interessen wahren, aber sich raushalten, wenn es ernst wird? Oder ist das nicht eher CDU/CSU-Style? Von der Seitenlinie meckern, nachdem man selbst den Karren über die letzten Jahrzehnte in den Dreck gefahren hat? Und wer ist eigentlich China – auf arm machen, aber der größte Problembär sein – die Lobbytruppe von Öl, Gas und Kohle?

Nach zwei solchen Wochen habe ich wieder mal großen ­Respekt vor den Leuten, die sich das antun. All die DiplomatInnen, ExpertInnen, VerhandlerInnen, Sherpas und Deal­maker, die sich tagein, nachtaus in bleierne Verhandlungen setzen, in denen ich schon nach zwei Stunden als hirntot gelten würde.

Ich würde diese Verhandlungstische schreiend verlassen. Sie tun das manchmal auch. Aber ich würde nicht wiederkommen. Sie sitzen am nächsten Morgen gut geduscht und gut gelaunt wieder da. Um das dicke Brett wieder ein bisschen zu bohren, die Welt wenigstens ein bisschen zu retten. Das wird nicht reichen. Aber meine Hochachtung haben sie trotzdem.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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