Änderung der Alterszählung in Südkorea: Verjüngungskur per Bürokratie

Menschen in Südkorea hatten offiziell bis zu drei verschiedene Altersangaben. Jetzt wird das Geburtsalter wie anderswo üblich auf null festgelegt.

Koreanische Kinder mit rasiertem Kopf im Jogye-Tempel, Seoul: Wie alt waren sie offiziell bisher, wie alt sind sie jetzt?

Ende des koreanischen Ratespiels: Wie alt sind diese Kinder – auf dem Papier und in der Realität? Foto: YNA/dpa

BERLIN taz | Weil in Südkorea am 1. Juli die Altersberechnung der Bevölkerung geändert wurde, sind dort nun alle Menschen in der Regel ein bis zwei Jahre jünger. Allerdings nur auf dem Papier. Hintergrund des nationalen Verjüngungskurses ist die Anpassung an den internationalen Standard, wenn es um die Berechnung des Alters eines Menschen geht.

Nach der traditionellen koreanischen Zählweise galt jedes Kind bereits bei der Geburt als ein Jahr alt. Ein weiteres Jahr älter wurde man dann nicht am tatsächlichen Geburtstag, sondern immer zum Jahreswechsel, also am 1. Januar. Ist ein Kind etwa am 31. Dezember geboren, wurde es um Mitternacht bereits zwei Jahre alt.

Daneben kennen die älteren Südkoreaner auch noch die mittlerweile deutlich weniger geläufige, alternative ostasiatische Art der Altersrechnung, nach der ein Neugeborenes bei der Geburt – wie im Westen – null Jahre alt ist. Allerdings alterte man dann jeweils mit dem koreanischen Neujahr, das immer auf den Neumond (zwischen 21. Januar und 20. Februar) fällt, um ein Jahr.

Das Parlament in Seoul hatte bereits zwei vergebliche Vorstöße unternommen, um der Verwirrung bei der Altersberechnung ein Ende zu setzen. Angetrieben von dem seit vorigem Jahr amtierenden neoliberalen Präsidenten Yoon Suk Yeol, der die Standardisierung der Altersberechnung im Wahlkampf versprochen hatte, fand das Vorhaben jetzt große Unterstützung bei den Abgeordneten wie in der Bevölkerung.

„Verjüngungskur“ dauert bis zu zwei Jahre

„Obwohl sich für uns im tatsächlichen Leben kaum etwas ändert, begrüße ich die Anpassung an den internationalen Standard“, meint etwa der in Guri bei Seoul lebende Lee San-Woo, ein 37 Jahre alter Angestellter, im Gespräch mit der taz.

Der Umstellungsprozess soll bis zu zwei Jahre dauern. Dann werden auch viele Menschen in Südkorea wirklich so alt sein, wie sie es heute schon auf dem Papier sind, da dann nur noch die international übliche Alterszählung offiziell verwendet wird.

Beim Erwerb des Führerscheins etwa gilt dann auch in Südkorea das internationale Alter von 18 Jahren. Bisher mussten die Menschen dort mindestens 19 beziehungsweise 20 Jahre alt im koreanischen Alter sein, um den Führerschein machen zu können. Jetzt wird nur noch nach dem tatsächlichen Alter, also in der international üblichen Methode, bemessen. Es ändert sich de facto also nicht viel. Nur wird auf offiziellen Dokumenten die koreanische Altersangabe jetzt getilgt, die es vorher in allen offiziellen Dokumenten neben der internationalen noch gegeben hat.

In einer zunehmend vernetzten, globalisierten Welt sorgen unterschiedliche Bestimmungsarten des menschlichen Alters in der Verwaltung zu bürokratischen Auswüchsen und Komplikationen, etwa wenn es darum geht, zu ermitteln, ab wann eine Person genau Anspruch auf Rentenzahlungen hat, eingeschult werden sollte oder wann ein Mann zu Südkoreas obligatorischem Militärdienst antreten muss.

Bisheriges System sorgte für Verwirrung

Damit wird jetzt auch verhindert, dass Südkoreaner im Ausland ihr Alter mit 18 angeben konnten, obwohl sie dort erst 16 Jahre alt waren, oder dass sie in unterschiedlichen offiziellen Dokumenten mit bis zu drei verschiedene Altersangaben geführt wurden.

Auch während der Corona-Impfkampagne entstand Verwirrung. Welches Alter galt nun – das legale oder das „soziale“, das in Südkorea entsprechend des auch in anderen asiatischen Ländern geltenden Senioritärsprinzips nach wie vor im Zwischenmenschlichen eine wichtige (Macht-)Funktion hat. Damit soll jetzt Schluss sein.

Die Umstellung auf dem Papier bedeutet für die Verwaltung viel bürokratischer Aufwand und Kosten. Denn in mehreren Phasen muss das Alter entsprechend der neuen Berechnungsart in allen staatlichen Bestimmungen, Erlassen, Verordnungen, Gesetzen, Urkunden und Dokumenten umgeschrieben werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.