Ein Kanal

Lebensader: Der König­-Abdullah-Kanal ist der größte Bewässerungskanal ­Jordaniens Foto: Nadia Bseiso

Dürre in Jordanien:Durstige Zitronenbäume

Die Klimakrise bedroht das einst fruchtbare Land im Jordantal. Anderen Regionen wird es in Zukunft ähnlich ergehen. Wie gehen die Menschen damit um?

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Aus dem jordantal, zarqa, 20.7.2023, 11:05  Uhr

Dayba Gazawi steht inmitten von ­Zitronen-, Orangen- und Pampelmusenbäumen. „Die Bäume sind für mich wie meine Kinder“, sagt sie, Mutter von drei Söhnen, einer Tochter und Bäumen auf 30.000 Quadratmeter Land. „Ich ziehe sie auf und gebe ihnen zu trinken.“ Die Äste der Bäume tragen sattgrüne Blätter, sie spenden etwas Schatten gegen die pralle Mittagssonne, es sind rund 32 Grad und die Menschen in dem Dorf sagen, das sei ein vergleichsweise angenehmer Sommertag im Jordantal.

„Ich habe mich an die Hitze gewöhnt; wenn es mir zu heiß wird, gehe ich an die Wassersprenkler“, sagt Gazawi. Dabya Gazawi, 49 Jahre alt, arbeitet seit 25 Jahren als Landwirtin auf ihrer eigenen Farm im nördlichen Jordantal in Jordanien. Jobs gibt es hier wenige, doch der Boden ist fruchtbar, daher sind die meisten Menschen Landwirt*innen. Auch Gazawi kommt aus einer Bauernfamilie. „Das Beste an der Landwirtschaft ist, dass man mit dem Baum umgeht, als wäre er ein Teil von einem selbst, sehr zärtlich. Wenn ich ihn gieße, zurückschneide, wenn ich die reife Ernte sehe, empfinde ich wirklich Freude, dass ich es geschafft habe.“

Von einem Wasserbecken aus führen schwarze Schläuche durch ihr Grundstück. Ein Motor treibt die Pumpe an, die das Wasser durch die Schläuche drückt. Darin sind viele Löcher, durch die das Wasser direkt um die Bäume fließt und Pfützen bildet. „Was mir als Landwirtin am meisten Angst macht, ist der Mangel an Wasser. Ich fürchte mich davor, dass das Wasser ausbleibt. Ich habe die Bewässerung auf Schläuche und Tröpfchenbewässerung umgestellt, was mich eine Menge Geld gekostet hat. Wir brauchen die neueste Technologie, um weiter anbauen zu können.“

Jordanien ist eines der wasserärmsten Länder der Welt. Der Grundwasserspiegel sinkt, weil die Regierung und Betreiber illegal gebauter Brunnen massiv Frischwasser aus den Bodenreservoirs abgepumpt haben. Daten der Weltbank zufolge gehen 50 ­Prozent des kommunalen Wassers verloren. Eine wachsende Bevölkerung und höhere Temperaturen führen zu Wasserstress.

Dayba Gazawi, Landwirtin

„Ich fürchte mich davor, dass das Wasser ausbleibt. Wir brauchen die neueste Technologie, um weiter anbauen zu können“

Das jordanische Wasserministerium geht davon aus, dass durch den menschengemachten Klimawandel die Süßwasserressourcen bis 2040 um 15 ­Prozent schrumpfen. Die historischen Klimatrends seit den 1960er Jahren zeigen, dass die jährlichen Höchsttemperaturen in Jordanien zwischen 0,3 und 1,8 Grad Celsius gestiegen sind. In Jordanien kriegt man einen Einblick in eine Zukunft, die vielen Ländern durch die Klimakrise bevorsteht.

Kein Gemüse mehr

Besonders betroffen ist das Jordantal, die fruchtbarste Gegend in Jordanien, die weite Teile des Landes mit Obst und Gemüse versorgt. Die Klimakrise führt zu Dürren, Wassermangel und extremen Wetterschwankungen. Weniger, dafür aber stärkere Regenfälle und hohe Temperaturen bedrohen den Anbau. Durch steigende Temperaturen verdunstet Wasser in größeren Mengen, was wiederum zu intensiveren Regenfällen führt, vor allem im Winter. Im Sommer folgt Dürre mit extremer Hitze. Wie gehen Land­wir­t*in­nen im Jordantal mit der Herausforderung um?

Die Fahrt zu Dayba Gazawi führt von Amman aus über den Jordan Highway. Am Rand wachsen Büsche, Bäume und Kaktusfeigen. Der Weg verläuft parallel zum Fluss Jordan, der zwischen dem See Genezareth und dem Toten Meer die Grenze zwischen Israel und Jordanien markiert. Links ziehen die Berge an der Grenze zum Westjordanland vorbei. Sie sind kahl und ockerfarben. Der schma­le Flusslauf des Jordans ist von der Straße aus nicht zu sehen. Dafür die Ackerlandschaft: Tomatenstauden wachsen unter halbrunden Metallgerüsten, schwarze Wasserschläuche schlängeln sich am Boden entlang, Maispflanzen reihen sich auf den Feldern.

Ein blauer Hyundai transportiert Bananen; ein Ziegenhirt läuft mit seiner Herde auf dem sandigen Weg neben der Straße entlang. Am Straßenrand stapeln sich Wassermelonen, Trauben oder Aprikosen auf den Ladeflächen der Pick-ups zum Verkauf.

Portrait

Wünscht sich einen Bauernhof mit Kühen: Dayba Gazawi auf ihrem Grundstück im Jordantal Foto: Nadia Bseiso

In das Dorf von Gazawi, Scheich Hussein, führt eine Abzweigung zwischen Olivenbäumen entlang eines Kanals. „Wir bewässern die Felder seit langer Zeit mit Wasser aus dem Kanal“, erklärt die Landwirtin. Sie kauft das Wasser von der sogenannten Jordantal-Behörde. „Die Wasserbehörde stellt eine bestimmte Menge Wasser zur Verfügung, aber das reicht nicht aus. Was soll ich also tun? Ich gebe das ganze Wasser an die Bäume und lasse den Rest des Landes unbepflanzt.“

In den vergangenen zehn Jahren habe die Behörde den Anbau von bestimmtem Gemüse wie Muluchiya, einer spinatähnlichen Pflanze, verboten, weil sie zu viel Wasser braucht. „Früher habe ich Muluchiya, Okra und Bohnen angebaut.“ Weil die Pflanzen jeden Tag Wasser brauchen, musste die Landwirtin all ihr Gemüse aufgeben. „Wir haben nur die Zitrusfrüchte behalten.“

Für das Land zwischen den Bäumen hat sie eine Lösung gefunden: Zwergbäume, eine besonders kleine und schlanke Form von Obstbäumen. „Ich habe eine große Anzahl dieser Bäume gepflanzt, weil diese Art mehr Durst verträgt als ein normaler Baum. Sie brauchen nicht viel Platz und werden durch die Bäume mit bewässert. Sie sind jetzt vier Jahre alt, und der Vorteil ist, dass sie klein bleiben, aber einen hohen Ertrag haben“, erzählt Gazawi. „Letztes Jahr habe ich Rettich gepflanzt, aber es hat nicht geklappt. Aufgrund der extremen ­Wasserknappheit war der Boden steinhart. Als es regnete, dachte ich, die guten Zeiten seien ­gekommen. Aber es klappte nicht, weil der ganze Regen den Boden nicht nachhaltig befeuchtet hat.“

Jordanwasser für Israelische Städte

Trotz heftiger Regenfälle im Winter wird das Regenwasser nicht großflächig gesammelt. Das ergab eine Anfrage bei der Jordantal-Behörde. Nach eigenen Angaben arbeitet die Behörde – mithilfe von Entwicklungsgeldern – daran, „die größtmögliche Menge an Regenwasser zu nutzen“.

Das Wasser für die Farmen kommt aus sechs Stauseen für das nördliche Jordantal und drei Stauseen für den südlichen Teil. Das Wasser, mit dem Gazawi ihre Zitrusbäume gießt, stammt aus dem 110 Kilometer langen König-Abdullah-Kanal, der parallel zum Ostufer des Jordan verläuft. Im Mai verkündete der Landwirtschaftsminister Khaled Hneifat, dass in diesem Jahr 60 neue Regenwassergruben und Staudämme gebaut werden sollen. Die Stauseen des Königreichs hätten vergangenes Jahr 3 Millionen Kubikmeter Wasser gesammelt.

An Staudämmen gibt es aber auch Kritik. Laut Welttalsperrenkommission bleiben global viele Projekte hinter den Erwartungen für die Wasserversorgung zurück, verursachten hohe Kosten und schädigten die Umwelt.

Warum nehmen die Land­wir­t*in­nen nicht ­einfach Wasser aus dem Jordan? Im Jordantal ­betreiben Menschen seit über 10.000 Jahren Ackerbau, die fruchtbaren Böden wurden bereits im Alten Testament erwähnt. Der namensgebende Fluss Jordan wird im Christentum, Judentum und Islam gleichermaßen verehrt. Weil in seinem Wasser Jesus getauft wurde, pilgern bis heute zahlreiche Religiöse zu dem Fluss und lassen sich in ihm taufen.

In der religiösen Symbolik steht der Jordan für einen Übergang ins Himmelreich, für geistige Wiedergeburt und Erlösung. Er ist eine Quelle heiligen Wassers – die in Wirklichkeit schrumpft und verschmutzt. Der Jordan ist fast ausgetrocknet und nur noch ein schmaler Flusslauf bräunlichen Wassers. Seine Wassermenge schrumpft seit den 1960er Jahren und beträgt weniger als zehn ­Prozent seines historischen Durchschnitts.

Der Fluss hat politisch eine hohe Bedeutung. Jordanien und Israel machen sich seit Jahren Vorwürfe über geteilte Wasserresourcen, über den Wasserstand der Flüsse, über Stauseen und Entsalzungsprojekte. Israel pumpt jährlich 320 Millionen Kubikmeter des Jordanwassers ins Zentrum und den Süden Israels. Die Umleitung von Flusswasser sowohl durch Israel als auch durch Jordanien hat den Zufluss des Jordans ins Tote Meer erheblich verringert.

Beide Seiten haben auch ein Interesse daran, die Ressource gerecht aufzuteilen. Wasser war ein wichtiger Bestandteil des Friedensvertrags von 1994. Das Abkommen sah vor, dass Israel jährlich 50 Millionen Kubikmeter Trinkwasser an Jordanien liefert. Auf dem UN-Klimagipfel im November 2022 vereinbarten die beiden Länder, dass Israel die Menge auf etwa 200 Millionen Kubikmeter Wasser erhöht. Das entspricht 20 ­Prozent des jährlichen Bedarfs in Jordanien und der Menge, die von den fünf größten Städten Israels zusammen verbraucht wird. Im Gegenzug wird Jordanien ein Solarkraftwerk bauen und 600 Megawatt nach Israel exportieren.

Portrait

Gegen aufbereitetes Wasser: Walid Qeschawi Foto: Nadia Bseiso

Entsalzung als Lösung?

„Als Landwirt entnehme ich dem Jordan kein Wasser“, sagt Walid Qeschawi mit Nachdruck. „Israel leitet seine Abwässer in den Fluss. Das hat direkte Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Produkte, die ich bewässern möchte. Nun, das Wasser im Jordan ist inzwischen nicht nur vergiftet, es ist tödlich.“

Queschawi sitzt in dunklen Jeans und blaukariertem Hemd an einem Schreibtisch in seinem Büro in Nord-Schuna, nicht weit vom See ­Genezareth. Vor ihm liegen Flyer von NGOs, die über Bewässerungsmethoden und nachhaltigen Anbau aufklären. 2019 hat Qeschawi die Vereinigung für nachhaltige Landwirtschaft im nördlichen Jordantal gegründet. Nach eigenen Angaben arbeiten sie mit rund 15.000 Land­wir­t*in­nen zusammen, die Zitrusfrüchte oder Gemüse anbauen. Insgesamt lebten in der Region 200.000 Menschen.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Vor dem Haus der Vereinigung wachsen eine Dattelpalme und ein Olivenbaum, in dessen Schatten ein paar Setzlinge stehen. Der 56-Jährige kommt aus einer Familie von Landwirt*innen, er selbst baut Zitronen, Orangen, Clementinen und Mandarinen an. Der Verband arbeitet als Mittler zwischen Land­wir­t*in­nen und der Regierung. Sie sammeln Informationen über Bodentypen und helfen sich gegenseitig, die rentabelsten Pflanzen anzubauen.

„Anstatt Wasser aus dem Jordan aufzubereiten, sollten wir das salzige Wasser in unserer Gegend entsalzen“, sagt Qeschawi. „Wir benötigen eine Entsalzungsanlage.“

„Entsalztes Wasser ist sehr teuer, und Land­wirt*in­nen können sich das nicht leisten“, hält Omar Salameh, Pressesprecher der Jordantal-­Behörde, dagegen. „Besonders, weil Gießwasser zurzeit stark von der Regierung subventioniert wird.“

Jordanien hat bisher keine Entsalzungsanlage. Der Nachbar Israel hat sechs solcher Anlagen, die Wasser aus dem Mittelmeer abschöpfen. Jordanien, Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde wollten auch einen Kanal bauen, um Wasser vom Roten Meer ins Tote Meer zu pumpen. Er sollte die Länder mit Trinkwasser versorgen und hochkonzentriertes Salzwasser, das Nebenprodukt der Entsalzung, dann ins Tote Meer leiten. 2021 verwarf Jordanien den Plan, weil Israel kein Interesse an dem Projekt habe. Stattdessen möchte Jordanien nun Wasser aus dem Roten Meer in Akaba entsalzen. Die Anlage soll bis 2030 stehen, doch es mangelt an Investor*innen.

Skepsis gegen Klärwasser
Ein Wasserschlauch liegt auf einer Plantage

Verbrauchen noch zu viel Wasser: Bewässerungsrohre zwischen Dayba Gazawis Zitrusbäumen Foto: Nadia Bseiso

Nach taz-Recherchen ist Jordanien eines der größten Empfängerländer von deutschen Entwicklungsgeldern für Wasserprojekte. Mitte Juni sagte die Weltbank ein Darlehen von umgerechnet 180 Millionen Euro und einen Zuschuss von mehr als 45 Millionen Euro zu. Mit dem Geld soll die Klimaresilienz gestärkt werden, das heißt: Wassernetze werden saniert und das Dürre-Management verbessert. Die jordanische Regierung hat sich verpflichtet, weniger Grundwasser abzupumpen.

Mithilfe von Entwicklungsgeldern wurden auch Kläranlagen gebaut, um Abwasser zu reinigen. Das behandelte Wasser wird in natürliche Bäche oder in Stauseen geleitet – und vermischt sich dort mit Frischwasser. Die Jordantal-Behörde schreibt, sie erarbeite derzeit „Leitlinien für eine umweltverträgliche und wirtschaftlich tragfähige Nutzung in der Landwirtschaft.“

Das braucht Überzeugungskraft. „Als Sohn dieser Gegend gehöre ich zu den schärfsten Gegnern von aufbereitetem Abwasser“, sagt Qeschawi. „Die Studien zu diesem Wasser sagen zwar, es sei für die Landwirtschaft geeignet, aber nur für eine begrenzte Zeit und auch nicht für andere Zwecke. Trotzdem ist der Landwirt allen bakteriellen Infektionen ausgesetzt, die in diesem Wasser noch enthalten sind.“ Die Land­wir­t*in­nen hätten nicht vor, das Wasser zu verwenden, selbst wenn sie „dazu gezwungen“ würden.

Laut Salameh von der Jordantal-Behörde sind bereits 50 ­Prozent der Anbauflächen von aufbereitetem Wasser abhängig, das in Stauseen mit Süßwasser gemischt wird. Die Behörde habe den Plan, die Nutzung von aufbereitetem Wasser auszuweiten. Auch wenn sich bereits durch Kläranlagen gereinigtes Wasser mit Frischwasserquellen durchmischt, sind viele Land­wir­t*in­nen um ihren Ruf bemüht. „Ich spreche nicht nur von mir. Sondern meiner Erfahrung nach weigern sich mehr als 60 Prozent der Landwirt*innen, aufbereitetes Wasser zu nutzen.“ Und dann spricht Qeschawi plötzlich von Fischen, obwohl es um Wasserknappheit geht: „Wenn wir über Fischreichtum sprechen, ist aufbereitetes Wasser außerdem nicht für Fische geeignet, da die Fische darin sterben“, sagt er.

Erfindergeist gegen Wassermangel

Fische in einer von Wassermangel bedrohten Gegend? Das System nennt sich Hydroponik und ist ein Pflanzenanbau ohne Erde. Salat, Basilikum oder Kohl ernähren sich von Nährstoffen im Wasserbecken. Dabei wird nur so viel Wasser verbraucht, wie die Pflanze tatsächlich zum Wachsen benötigt. In der Hydroponik werden Fische in einem Aquarium gehalten. Der Kot der Fische bietet Nährstoffe für die Pflanzen, deshalb kann das Wasser auf die Beete gepumpt werden. Auch Landwirtin Gazawi spricht davon. „Ich habe es ausprobiert und ein paar Fische ins Wasserbecken getan, und es hat funktioniert.“ Wenn sie das Geld dafür hat, möchte sie in ihrem Wasserbecken Fische halten und mit dem Wasser dann die Bäume bewässern.

Qeschawi erzählt, in der Vereinigung gäbe es ein Hydrokulturprojekt, das seit etwa vier Monaten läuft. „Hydroponische und intelligente Landwirtschaft sind aber teuer. Und es ist nicht klar, wer diese Kosten tragen wird.“ Internatio­nale ­Organisationen würden einigen armen Familien bereits helfen, intelligente Familien­landwirtschaft zu betreiben. Es bräuchte aber Hilfe im großen Stil. „Bauen wir an, um unsere Familie zu ernähren, oder baue ich an, damit die Gesellschaft davon essen kann?“, fragt der Landwirt rhetorisch.

Ali Hayajneh von der Haschemitischen Universität in Zarqa tüftelt an einer Idee, die Wasser spart und erschwinglich ist. Er kam darauf, als er seine Mutter für eine Woche zu sich einlud. Sie wollte nicht kommen – aus Angst, ihre Blumen könnten vertrocknen. „Das brachte mich auf die Idee, einen Sensor zu entwickeln, den meine Mutter in die Blumentöpfe stecken und an einen Wassertank mit Pumpe anschließen kann. Die Blumen wurden automatisch bewässert, und sie konnte mich besuchen. Das nennen wir intelligente Systeme.“ Hayajneh forscht nun gemeinsam mit einem Team zu Formen der Mikrobewässerung in den jordanischen Trockengebieten. Dabei greift er auf das Internet der Dinge und auf Drohnen zurück. Unterstützung kommt von der Universität Leeds und der Firma Mars Robotics.

Mikrobewässerung bedeutet, dass jede Pflanze genau dort bewässert wird, wo sie wächst. Etwas Ähnliches machen die Land­wir­t*in­nen bereits, aber sie verwenden die Tröpfchenbewässerung. „Dabei bekommen sie keine Rückmeldung vom Boden, also überschwemmen sie den Baum mit Wasser.“ Hayajneh und sein Team haben zunächst einen Sensor entworfen, der neben den Pflanzen in die Erde gesteckt wird. „Das ist ein Bodenfeuchtigkeitssensor“, sagt Hayajneh und zeigt ein etwa handgroßes Elektronikteil an einem schwarzen Metallrechteck mit Spitze. „Er misst die Bodenfeuchtigkeit, die Bodentemperatur und die Luftfeuchtigkeit über dem Boden.“ Eine Drohne fungiert dann als Daten-Gateway, zur Übertragung der Daten. Ein von Hayajneh aufgenommenes Video zeigt die Drohne, wie sie autonom fliegt, ohne menschliche Steuerung. Ihre Flugroute wurde programmiert. In dem Video drehen sich die vier schlanken weißen Propeller der bauchigen, kreuzförmigen Drohne.

Sie überfliegt die Felder mit den Boden­sensoren. An denen wiederum ist ein Solarpaneel angebracht, das aus der roten Erde herausragt. Mittig unterhalb der Drohne ist ein Internet-of-Things-Receiver angebracht. „Die Drohne ist mit einer Art WLAN-Router ausgestattet. Wenn der Sensor unter dem von der Drohne getragenen WLAN liegt, können wir die Daten in die Cloud hochladen.“ Ein Sensor koste weniger als 6,50 Euro. „Deshalb können wir viele solcher Sensoren günstig auf dem Feld einsetzen.“ Die Bodensensoren könnten auch direkt ans WLAN angeschlossen werden. Da die Messung aber auf großen Feldern funktionieren soll, braucht es die Drohnen, um die Daten zu sammeln. Der Strom für die Messgeräte soll über Solarenergie aus den Bodenpaneelen kommen.

Das Team um Hayajneh arbeitet auch an einem batterieloser Sensor. „Dieser Sensor wird als Rückstreusensor bezeichnet. Das bedeutet, dass das kabellose Umgebungssignal, das über Wi-Fi übertragen wird, Energie abgibt, um den Sensor selbst zu betreiben und die Daten zu sammeln.“ Der Sensor nutzt also die Energie, die er über eine Drohne bekommt. „Dieser Sensor ist deshalb kostengünstig und erfordert nur minimale Wartung, da er über einen langen Zeitraum ohne Batterien auskommt. Ich rechne mit mehr als vier Jahren ohne Batteriewechsel.“

Mit den gewonnenen Daten kann eine Software den besten Punkt zur Bewässerung ermitteln. „Die Software muss ein Mensch entwickeln, auf der Grundlage der Anforderungen der Landwirt*innen. Dann entscheiden wir, was der beste Algorithmus ist und wie der Zeitplan für die Bewässerung aussieht.“

Ali Hayajneh, Forscher der Haschemitischen Universität in Zarqa

„Ich bin kein Geschäftsmann, der versucht, Geld zu verdienen.

Bei der Mikrobewässerung werden die Pflanzen dann bewässert, wenn sie das Wasser benötigen, und nicht mit einem überschwemmenden Bewässerungssystem, wie es in Jordanien üblich ist. „Wir rechnen damit, bis zu 50 ­Prozent des Wassers einsparen zu können, weil das meiste Wasser, mit dem wir die Bäume gießen, aufgrund des heißen Klimas verdunstet.“

Aber wie möchte Ali Hayajneh die Land­wir­t*in­nen von seiner technischen Idee überzeugen? „Ich bin kein Geschäftsmann, der versucht, Geld zu verdienen. Um jemanden von einem System zu überzeugen, muss man eine Erfolgsgeschichte zeigen. Was wir also tun, ist, dass wir das System auf unseren eigenen Feldern umsetzen und den Land­wir­t*in­nen die Erfolgsparameter zeigen.“

Zumindest die Zitrusfarmerin Dayba Gazawi ist Technologie und neuen Ideen nicht abgeneigt. „Ich möchte in Zukunft einen Bauernhof mit Kühen haben. Ich möchte dort in einem kleinen Haus leben, mit ein paar Hühnern und einem Teich, in dem ich Fische züchten kann. Ich habe auch die Idee, Bienen zu halten, um Zitrushonig herzustellen. Das ist mein Traum für die Zukunft. ­Inshallah.“

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