Skandal um Topbeamten in Stuttgart: Strobl schafft Polizeiinspekteur ab

Nach dem Freispruch von Top-Polizist Andreas R. steigt der Druck auf Baden-Württembergs Innenminister. Der rettet sich nun mit einer Strukturreform.

Strobl

Thomas Strobl, baden-württembergischer Innenminister Foto: Tom Maelsa/dpa

KARLSRUHE taz | Es waren schon damals riskante Aussagen: Wiederholt sagte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl, er könne sich nicht vorstellen, dass Andreas R. wieder auf seinen Posten zurückkehrt und Inspekteur der Polizei (IdP) bleibt. Da stand R. noch wegen sexueller Nötigung vor Gericht, letzten Freitag wurde er allerdings freigesprochen. Um seine Aussagen doch noch wahr werden zu lassen, hat Strobl nun kurzerhand den Posten des Inspekteurs der Polizei abgeschafft.

Auf einer Pressekonferenz verkündete Strobl am Dienstag, die Aufgaben des IdP – neben Personalthemen vor allem der Oberbefehl bei Terrorlagen – sollen künftig auf den Kriminaldirektor und den Polizeidirektor des Landes verteilt werden. Dabei solle mehr im Team gearbeitet werden, erklärte die Polizeipräsidentin des Landes Stefanie Hinz.

Strobl kommt damit überraschend einer Forderung nach, die zuvor schon im parlamentarischen Untersuchungsausschuss laut geworden war. Die Landtagsabgeordneten untersuchen dort anlässlich des Skandals um den Polizeiinspekteur die Beförderungspraxis bei der Landespolizei.

Andreas R. war vergangenen Freitag aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm die sexuelle Nötigung einer jungen Polizeibeamtin vorgeworfen, deren Eignung für den höheren Dienst er zu beurteilen hatte. Die Staatsanwaltschaft hat angekündigt, Revision einzulegen. Zudem droht dem Beamten, der derzeit bei vollen Bezügen freigestellt ist, ein Disziplinarverfahren. In dem Prozess waren weitere sexuelle Beziehungen Andreas R.s zu Untergebenen bekannt geworden.

Rücktrittsforderungen gegen Strobl

Neben der Abschaffung des IdP kündigte Strobl am Dienstag auch an, eine unabhängige Vertrauensanwältin zu installieren, an die sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Innenbehörden bei Verdachtsfällen von sexueller Nötigung oder Belästigung wenden können. Grundlage ist eine Betriebsvereinbarung zu diesem Thema, die mit der Mitarbeitervertretung geschlossen wird. Es müsse klar sein, dass „weder Sexismus, noch Rassismus, Antisemitismus oder Extremismus einen Platz in der Polizei hätten“, so Strobl.

Zudem führt das Innenministerium eine Stabsstelle für moderne Führungs- und Wertekultur ein, die direkt beim Innenminister angesiedelt ist. Leiter der Stelle wird ein erfahrener Polizist mit grünem Parteibuch: Jörg Krauss war 37 Jahre bei der Polizei und erst in diesem Jahr als Ministerialdirektor in Ruhestand gegangen. Nach seiner Auffassung soll die Stabsstelle vor allem persönliche Abhängigkeiten unter Polizeibeamten auflösen, die oft schon während der Ausbildung entstehen.

Auch das Auswahlverfahren für Stellenbesetzungen soll reformiert werden. Die Spitze des Innenministeriums steht nach Erkenntnissen aus dem Untersuchungsausschuss im Verdacht, Andreas R.s Karriere an qualifizierteren Kandidaten vorbei beschleunigt und dabei auch Druck auf Mitbewerber ausgeübt zu haben.

Strobls Reformen kommen überraschend. Noch in der vergangenen Woche hatte er Konsequenzen aus dem Skandal abgelehnt, der die Polizei seit über eineinhalb Jahren erschüttert, und angekündigt, den Bericht des Untersuchungsausschusses abzuwarten.

Doch auch innerhalb seiner eigenen Fraktion waren Stimmen laut geworden, die Reformen im Innenministerium forderten. Auch ein Rücktritt des Parteivorsitzenden als Innenminister wurde immer wieder gefordert. Strobl gilt in der Affäre um Andreas R. als angeschlagen, seit die Staatsanwaltschaft wegen der Weitergabe von Dokumenten zu dem Verfahren an Journalisten ermittelt hatte – Ermittlungen, die er zunächst zu verhindern suchte. Das Verfahren gegen ihn wurde gegen die Zahlung einer Geldauflage von 15.000 Euro eingestellt.

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