Abholzung des Akbelen-Walds in der Türkei: „Gehen Sie hin, hören Sie zu“

In der Türkei soll ein großer Wald dem Braunkohleabbau weichen. Die AnwohnerInnen leisten Widerstand. Nun gab es ein Sondertreffen im Parlament.

Polizisten in einem Wald.

Polizisten im Einsatz gegen die De­mons­tran­t:in­nen in Akbelen am 30. Juli Foto: Abaca Press/imago

ISTANBUL taz | Erstmals in der Geschichte der türkischen Republik ist das türkische Parlament am Dienstag zu einer Sondersitzung in der Sommerpause zusammengekommen, um über einen Umweltkonflikt zu debattieren. Auf Antrag der oppositionellen sozialdemokratischen CHP musste der von der AKP gestellte Parlamentspräsident die Sitzung einberufen, um über die Abholzung eines großen Waldgebietes, unter dem Braunkohle abgebaut werden soll, debattieren zu lassen.

Mehrere Busse voller AktivistInnen, vor allem DörflerInnen aus der betroffenen Region, die sich seit Jahren gegen den Braunkohleabbau wehren, waren nach Ankara gefahren und belagerten dann die Fraktionssitzungen der verschiedenen Parteien, bevor es im Plenum zu einer Aussprache kam.

„Gehen Sie hin und hören Sie zu“, rief der Vorsitzende der CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, im Parlament den VertreterInnen der Regierungsfraktionen zu, die sich allerdings erwartungsgemäß stur gaben.

Als es am Ende einer emotionalen Aussprache zur Abstimmung darüber kam, ob das Parlament das Thema für eine ausgiebige Befassung mit dem Ziel einer Neubewertung des Braunkohleabbaus in der Türkei auf die Agenda setzen soll, lehnte die Regierungsmehrheit den Antrag der CHP ab.

„Kohle kann man nicht essen“

Dennoch werteten die AktivistInnen aus Akbelen die Sondersitzung des Parlaments am Dienstag am Ende als Erfolg. „Wir haben uns sichtbar gemacht und gezeigt, dass wir uns dagegen wehren, wenn der Staat und einige Großunternehmer uns unsere Lebensgrundlage wegnehmen wollen“, sagte Nejla İzci, Olivenbäuerin und Sprecherin des Widerstands, am Ende des Tages. „Kohle kann man nicht essen, wir brauchen unsere Oliven und den Honig, von dem wir leben.“

Musizierende Demonstrant:innen in einem Wald.

Protest gegen die Abholzung in Akbelen am 6. August Foto: Abaca Press/imago

Die Auseinandersetzung schwelt seit Langem: Es geht um ein Braunkohleabbaugebiet im Hinterland der Ägäisküste, das auf Kosten des Akbelen-Waldes und der Olivenplantagen von vier Dörfern ausgeweitet werden soll. Seit Jahren setzt sich die Mehrheit der DorfbewohnerInnen dagegen zur Wehr, seit dem Sommer 2021 gibt es ein Widerstandscamp am Rande des Akbelen-Waldes, wo DorfbewohnerInnen und AktivistInnen aus den umgebenden Städten Bodrum, Milas und Muğla Wache gegen die Abholzung des Waldes halten.

Vor zwei Wochen startete dann dennoch die Zerstörung des Waldes. Begleitet von einem Großaufmarsch von Polizei und Gendarmerie wurde mit der Abholzung begonnen. Mit massivem Einsatz von Wasserwerfern und Reizgas hinderte die Gendarmerie die AktivistInnen daran, sich den Sägekolonnen entgegenzustellen.

Braunkohle gilt als heimischer Energieträger

Wie Oppositionsführer Kılıçdaroğlu in der Parlamentsdebatte sagte, geht es aber nicht nur um die konkrete Auseinandersetzung in Akbelen. Überall in der Türkei, sagte er, sei die Umwelt durch den Druck von Kohle- und Bergbauunternehmen, die eng mit der Regierung zusammenarbeiten, gefährdet.

Dabei gibt es mit den erneuerbaren Energien durch Sonne und Windkraft längst bessere und sogar billigere Alternativen. Speziell an der Ägäisküste werden zwar auch viele Windkraftwerke gebaut, die Regierung will aus Profitgründen, und weil sie die Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten möglichst schnell verringern will, dennoch an der besonders umweltschädlichen Braunkohle als heimischem Energieträger festhalten.

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