Freude am Hüpfen: Dem Affen ins Maul hopsen

Hüpfen ist nicht gleich hüpfen, und neben dem Hüpfen gibt es ja auch noch das Smashen und das Purzeln. Beobachtungen beim Besuch eines Hüpfburgenlands.

Detail einer Hüpfburg

Foto: Fabian Stark

„Wir verstehen unter ‚Hüpfen‘ eine fortgesetzte zyklische Bewegung in die Höhe und/oder Weite, ein- oder auch beidbeinig, mit geringem Bewegungsumfang und kurzer Flugphase. ‚Springen‘ ist dagegen eine azyklische Bewegung, die nach einer Vorbereitungsphase über einen ein- oder beidbeinigen Absprung in die Höhe und/oder Weite zur Hauptphase, danach zur Landung – und damit zu ihrem Abschluss – führt.“ (aus Axel Horn/Christian Weber: „Vom Hüpfen zum Springen“, Grundschule Sport Nr. 18/2018 Springen)

Die Frau im Verkaufswagen macht beinahe einen Satz rückwärts. „Was, Sie sind ohne Kind da?“ Die Frage, ob man denn als Erwachsener auch hüpfen dürfe, macht es nicht besser. „Nein, leider nur für Kinder“, sagt Luciana-Manuela Thiel und schüttelt den Kopf. Sie erfährt den journalistischen Auftrag, der hinter diesem Besuch ihres Holidays Hüpfburgenland in Schönefeld bei Berlin steckt, und vernimmt die Recherchefrage: Warum ist Hüpfen so spaßig?

Das macht die Szene nicht weniger schräg, aber nun erzählt Thiel ein wenig. Sie sei „ein Zirkuskind“, und das Hüpfburgenland bedeute ihr sehr viel, seit zehn Jahren schon. Dabei würden die Freudenlaute der Kinder hier so manchem auf die Nerven gehen. „Na gut, dann schauen Sie sich um“, sagt Thiel und nimmt derweil eine Bockwurstbestellung entgegen.

Das Holidays Hüpfburgenland liegt zwischen einer Allee, einem Acker und einem Gebrauchtwagenhandel, der Bus 744 fährt hier zum Flughafen Berlin-Brandenburg. Der Begriff „Hüpfburgenland“ ist wahrlich eine Untertreibung, es wirkt eher wie eine Staatengemeinschaft aus 14 quietschbunten Mitgliedern. Ein Clownsland ist dabei, ein behopsbarer Monstertruck, eine Tropicana Burg mit Papageien und Regenbogen, ein rosa Märchenschloss mit Rundrutsche, ein Dinopark und ein Candyplay-Land, eine Hüpfburg mit luftgefülltem Lebkuchenhaus, kindshohem Kaugummiautomaten und Zuckerstangen.

„Deelname op eigen Risico“

Ein Mitarbeiter führt zwei Ponys zwischen den Burgen hindurch, meist mit Kindern im Sattel. Die Kinder tragen dann einen Cowboyhut, davon gibt es einen orangefarbenen, einen blauen und einen pinken. Sind gerade keine Kinder beim Ponyreiten, schlurft der Mitarbeiter mit den Tieren weiter seine Runden und trägt dabei alle drei Hüte gestapelt auf dem Kopf.

Warnhinweise verweisen auf den Ursprung mancher Hüpfburg: „Deelname op eigen Risico“, Teilnahme auf eigene Gefahr. Die größte Gefahr ist wohl der Wind. 2022 wurden im Hunsrück neun Kinder teils schwer verletzt, weil es sie samt Burg über einen vier Meter hohen Zaun zog. Das Geschäft sei extrem wetterabhängig, sagt Thiel, und dieses Jahr mache es das Wetter ihrem Hüpfburgenland ganz schön schwer.

Die einfachste Variante einer Hüpfburg ist: von oben gesehen ein Quadrat, an den vier Seiten knieflach zum Aufsteigen, in der Mitte eine Wölbung zum Springen.

Von diesem Typ gibt es hier zwei. An der grün-gelb gestreiften mit den Gummipalmen an den Ecken ziehen sich drei Jungs auf die Trampolinwölbung und unterhalten sich dabei in den Worten „What the fuck.“ – „What the fuck!“ – „What the fuck.“ Neben den Kindern sind vor allem die Gebläse der insgesamt 14 Hüpfburgen zu hören.

Die Eltern ziehen ihren Kindern hinterher, wie in einem Theaterstück, in dem jede Burg eine Bühne ist. Davor steht jeweils eine Reihe roter Klappstühle, dort setzen sie sich hin und blicken hinein.

Den Kindern reicht eine Hüpfburg, um Schwerelosigkeit zu spüren – während sich andere Menschen dafür ins All schießen lassen, zum Preis von Hunderttausenden Dollars. Die erwachsenen Begleitpersonen hier könnten das Gefühl zumindest erahnen, wenn sie sich nur auf den Rand einer Burg setzen und etwas mitschubsen ließen. Dieses Kribbeln im Magen. Aber sie tun es nicht.

Und trotz Schwüle scheinen die Alten auch nicht darauf zu warten, bis endlich ausgehopst ist. Eine Frau mit Sonnenbrille fächert sich mit einer Serviette Luft zu. Erschöpfte Zufriedenheit.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Nun ist Hüpfen nicht gleich Hüpfen. Neben der senkrechten Bewegung gibt es das Smashen. Dazu braucht der Standardaufbau vier Wände rundum. So wie bei der Safarihüpfburg, deren Seiten eine Savannenlandschaft ziert, mit Affe, Giraffe, Nashorn, Tiger und Zebra.

Drei Kinder erproben hier die Gesetze der Physik: „Wir müssen gleichzeitig!“ Nachdem Kind 1 auf die Schräge der Wölbung klettert, springen Kind 2 und 3 von der anderen Seite auf einmal drauf. Kind 1 katapultiert es daraufhin gegen das Nashorn. Impuls [p] = 1 Kilogramm mal Meter durch Sekunde.

Die Klettersteine und Rutschen an mancher Burg erlauben weitere Praktiken. Beim weitgehend unkontrolliert wirkenden Purzeln bildet der Körper einen Hohlraum zwischen Brust und Knie, das Aufkommen wird dem Zufall überlassen. Das Rollen zielt darauf ab, sich mit gestreckten Armen und Beinen prädestiniert nach unten zu drehen.

Parole: Hüpfburgenalarm

„Guck mal, da ist ein Feuerwehrturm. Ich glaube, das ist richtig schwer!“, sagt ein mutmaßlicher Vater zu seinem mutmaßlichen Sohn. Die Feuerwehrhüpfburg hat die Form eines überdimensionalen Planschbeckens, in ihrer Mitte ragt ein etwa 5 Meter hoher Turm in den Himmel. Im Turm sind backsteingroße Löcher zum Hineingreifen. Gerade sind zwei Kinder rauf und lassen sich in die Tiefe plumpsen. Der Junge will auch hinauf, aber zum Hochziehen fehlt die Kraft. „Probier’s noch mal!“, ruft der Mann.

Zum Sprung gehört der Fall. Und das eine geht fließend ins andere über. Auch emotional: Ein Mädchen rutscht die Tropicanahüpfburg runter und beginnt zu weinen. Eine Frau lässt ihren Kinderwagen stehen und tröstet.

Doch als andere Kinder von der Tropicana zur nächsten Hüpfburg eilen, löst sich das Mädchen und schlängelt sich, noch weinend, durch die Gummibommel, -tunnel und -säulen an der benachbarten Attraktion, die an ein Spiegelkabinett auf einem Jahrmarkt erinnert.

Die Kinder bilden Banden, Parole: Hüpfburgenalarm. Und sie ziehen weiter zur nächsten Attraktion. Das Highlight ist ein Gorilla, der seinen Mund immer wieder öffnet und schließt. Das Gummitier hat dicke, kubusförmige Gummizähne.

Klappt sein Gummikinn nach unten, klettern die Kinder an ihnen hinein. „Bitte achten Sie mit darauf, dass nicht mehr als fünf Kinder im Maul des Affen spielen“, steht hier auf einem Schild. Zu keinem Beobachtungszeitpunkt wurden weniger als sieben Kinder im Affen gesichtet.

Im Gorilla kommt dem Fall eine besondere Bedeutung zu. Der Affe schließt sein Maul, an seiner gelben Unterlippe schaut noch ein Kinderbein raus, von außen ist nicht zu sehen, was drinnen passiert.

Die Kinder dort stehen nun vor der Wahl: 1. Herausstolpern, sobald der Gorilla sein Maul wieder öffnet. 2. In den Rachen des Affen klettern, wo sie auf der Hinterseite runterrutschen können. So werden sie quasi verdaut. 3. Sich vorne aus dem noch geschlossenen Maul herauskämpfen und in die Tiefe fallen. So entscheidet sich das Kind, dessen Bein heraushängt. Es kommt flach auf und wartet, bis der Affe sein Maul wieder öffnet und die Kinder nacheinander herauspurzeln. Keines wurde verdaut.

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