Konflikt um Bergkarabach: Keine Zeit mehr für Ignoranz

Die Waffen ruhen im Konflikt um Bergkarabach, doch der Preis ist hoch. Die EU sollte Aserbaidschan mit wirtschaftlichen Mitteln stoppen.

Eine Frau in einer Menschenmenge hält sich die Hände vor das Gesicht

Demonstranten am Dienstag vor dem Regierungsgebäude in Jerewan Foto: Irakli Gedenidze/reuters

Als Russland 2014 die Krim einnahm und den Osten der Ukraine überfiel, verurteilte Europa das. Es zog aber kaum Konsequenzen, stattdessen kaufte man weiter günstiges Gas ein. Die Bomben, die Minen, die Toten waren nicht wichtig genug, um sich dafür vom Handelspartner Russland zu lösen. Nach dem Überfall auf die Gesamtukraine im Februar 2022 war es dann doch so weit: Russland wurde vom Partner zum Pariastaat, die EU erließ Sanktionen, jemand Neues musste her.

Man näherte sich Aserbaidschan an: ein Land im Südkaukasus, das in den vergangenen Jahren wiederholt seinen Nachbarn Armenien und das umkämpfte Bergkarabach angriff – eine Region, die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, jedoch armenisch besiedelt ist. Aserbaidschan ist ein Land, das gegen Dissidenten im eigenen Land brutal vorgeht und keine freie Meinungsäußerung erlaubt. Wie bei Russland im Jahr 2014 schien das der EU aber zweitrangig.

Nun hat Aserbaidschan Bergkarabach erneut attackiert – und gewonnen. Die armenischen Truppen der Region müssen ihre Waffen abgeben, die Integration in auch faktische aserbaidschanische Hoheit soll nun verhandelt werden. Das war vorhersehbar, war doch Bergkarabach durch eine anhaltende aserbaidschanische Blockade kaum noch handlungsfähig. Auch die sich immer weiter verschlechternde humanitäre Lage war aber kein Grund für die EU, ihren Gasdeal mit Aserbaidschan zu überdenken.

Nun verurteilt sie den Übergriff. Sogar Sanktionen stehen im Raum, heißt es. Das wäre eine späte Wiedergutmachung früherer Ignoranz – und ein wichtiges Zeichen an Aserbaidschan: Wir haben aus den Fehlern, die wir mit Russland gemacht haben, gelernt. Tun sie das nicht, könnte ein Szenario in den kommenden Jahren Realität werden: Russland wurde 2014 nicht aufgehalten.

Streit um Exklave

Acht Jahre später sollte die ganze Ukraine dran glauben. Aserbaidschan könnte ähnliche Pläne haben: Zu dem Land gehört die Exklave Nachitschewan, die vom Hauptland durch einen Streifen armenischen Staatsgebiets getrennt ist. Die Eröffnung eines Korridors, der beide Teile verbinden soll, ist seit Langem eine wichtige Forderung Aserbaidschans. Seine militärischen Erfolge dürften das Land ermutigen.

In den vergangenen Jahren knallte es immer wieder im Süden Armeniens, wo der Korridor liegen soll. Experten befürchten, dass Aserbaidschan die Schaffung des Korridors in den kommenden Jahren einfach selbst in die Hand nimmt. Was Aserbaidschan aufhalten könnte? Es da zu treffen, wo es wehtut: bei den Rohstofflieferungen Richtung EU. Hoffentlich hat die aus ihren Fehlern gelernt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Redakteurin im Auslandsressort. Meistens Westeuropa, manchmal Westasien

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.