Kabinett beschließt Kindergrundsicherung: Viel Lärm um fast nichts

In der Debatte um Kinderarmut ist die Ampelkoalition tief gesunken. Was jetzt beschlossen wurde, ist dürr. Aber mehr ist mit der FDP nicht drin.

Ein fünfjähriger Junge sitzt an einem roten Tisch und zählt sein gespartes Taschengeld

Die FDP hat erfolgreich verhindert, dass Kinderarmut wirksam bekämpft werden kann Foto: Jens Kalaene/dpa

Es gibt Momente unfreiwilliger Ehrlichkeit in der Politik. Zum Beispiel am Mittwoch, als Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte: „Die Kindergrundsicherung ist die Antwort der Bundesregierung auf die Kinderarmut.“ Ja, genau, das ist die Antwort, und diese Antwort auf die Kinderarmut ist karg.

Die versprochenen materiellen Verbesserungen sind Neuberechnungen beim Existenzminimum, die für bestimmte Altersgruppen voraussichtlich um bis zu 28 Euro höhere monatliche Regelsätze ergeben. Zudem wird die Anrechnung von Einkommen abgemildert. Beides hätte man aber auch einfacher haben können, das Existenzminimum etwa wurde immer wieder mal neu berechnet, Einkommensanrechnungen verändert.

Das Herzstück der Reform, die Auszahlung der Kindergrundsicherung durch neue Familienservicestellen, ist riskant, denn das bedeutet einen gigantischen Verwaltungsumbau. Be­hör­den­ver­tre­te­r:in­nen warnen, dass der Umbau die Antragstellungen für Familien im Bürgergeldbezug verkomplizieren könnte. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein „Bürokratieabbau“ nach hinten losgeht, weil die „Vereinfachung“ erst mal aufwendig organisiert werden muss und Nebenwirkungen zeitigt.

Der politische Streit befeuerte Diskriminierungen. Man solle Alleinerziehenden, Familien im Bürgergeldbezug, darunter vielen mit Migrationshintergrund, bloß nicht zu viele Sozialleistungen gewähren, damit man keine „Erwerbsanreize“ mindere, warnten FDP und Union. Die FDP setzte durch, dass man Flüchtlingskinder von der Kindergrundsicherung entkoppelt und sie damit 20 Euro im Monat verlieren. Man wolle für Asyl­be­wer­be­r:in­nen „keine falschen Signale“ senden, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Dass er sich mit solchen Äußerungen nicht schäbig vorkommt, zeigt, wie tief man sinken kann in der Debatte.

Man kann also nur hoffen, dass es mit dem neuen Gesetz ab 2025 für manche Ge­ring­ver­die­ne­r:in­nen tatsächlich einfacher wird, Sozialleistungen für ihre Kinder zu beantragen. Mehr ist im Moment nicht drin.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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