Tandler-Prozess in Bayern: Die Frau hinter der Maske

Andrea Tandler wurde mit Maskengeschäften reich. Vor Gericht wehrt sich die Politikertochter nun gegen den Vorwurf, den Staat betrogen zu haben.

Die Angeklagte Andrea Tandler wird zu Prozessbeginn von einer Justizbeamtin neben ihren Anwältinnen in den Verhandlungssaal geführt

Die Angeklagte Andrea Tandler bestreitet Steuerverbrechen begangen zu haben Foto: Peter Kneffel/dpa

MÜNCHEN taz | Das Phantom bekommt ein Gesicht. Nachdem Andrea Tandlers absurder Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags noch vielen in Erinnerung ist – damals erschien sie komplett vermummt mittels Baseballkäppi, großer Sonnenbrille und Schutzmaske und verweigerte die Aussage –, gibt sich die 40-Jährige am Mittwoch vor dem Landgericht München umso offener.

Als sie den Sitzungssaal B 277 betritt, stellt sie sich den Fotografen und Kameraleuten, um sich kurz darauf umfassend einzulassen. Einen ganzen Vormittag lang spricht Tandler über ihr Leben, ihren neben ihr sitzenden Geschäftspartner und ihre Maskengeschäfte, die sie in kürzester Zeit extrem reich – und für manche zu einer der unsympathischsten Corona-Krisengewinnlerinnen gemacht haben.

Tandler trägt ein blaues Kleid, Brille, die dunklen Haare hat sie zum Pferdeschwanz gebunden. Sie könne sich schon vorstellen, sagt sie, welche Gedanken denjenigen, die den Prozess verfolgten, in diesem Moment durch den Kopf gingen: „Da sitzt sie, die Tochter eines CSU-Amigos. Sie hat die politischen Kontakte ihres Vaters genutzt, um Millionen an Steuergeldern abzuzocken.“ Davon, was echte Arbeit bedeutet, habe sie keine Ahnung, ihre Steuern habe sie nicht gezahlt, dafür eine Wohnung in Davos.

In der Tat ist es keine Kleinigkeit, wegen der Andrea Tandler, Tochter des ehemaligen CSU-Generalsekretärs und Strauß-Intimus Gerold Tandler, und ihr Geschäftspartner Darius N. hier vor Gericht sitzen.

Vorwurf: Steuerhinterziehung in Millionenhöhe

Rund eine halbe Stunde lang hat Staatsanwältin Susanne Gehrke-Haibl kurz zuvor vorgetragen, was den beiden Angeklagten zur Last gelegt wird: Tandler und N. hatten zu Beginn der Pandemie gigantische Provisionszahlungen für die Vermittlung von Masken des Schweizer Unternehmens Emix kassiert, die nach der Ansicht von Kritikern auch noch stark überteuert gewesen waren. Das freilich mag in Anbetracht der Notlage vieler Menschen zu diesem Zeitpunkt moralisch fragwürdig gewesen sein, illegal war es nicht.

Nur: Die über 48 Millionen Euro wurden nach Ansicht der Staatsanwaltschaft auch nicht korrekt versteuert. Insgesamt sollen Tandler und N. 23,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben – 8,7 Millionen Einkommensteuern, 6,6 Millionen Schenkungssteuern und 8,2 Millionen Gewerbesteuer. Summa summarum kommt Gehrke-Haibl auf einen wirtschaftlichen Gesamtschaden von 15,2 Millionen Euro.

Zu allem Überfluss soll Tandler gleichzeitig auch noch eine Corona-Soforthilfe in Höhe von 9.000 Euro beantragt haben – in den Augen der Staatsanwaltschaft Subventionsbetrug. Seit Januar sitzen Tandler und N. deshalb in Untersuchungshaft. Sie wolle nun für Transparenz sorgen, alle Fragen beantworten, sagt Tandler am Mittwoch. Es gebe absolut nichts, was sie zu verbergen habe. „Ich habe diese Geschäfte nach bestem Wissen und Gewissen abgewickelt und wollte, dass alles steuerlich korrekt gehandhabt wird.“ Aber ja, es sei eine hektische Zeit gewesen, in der „Fehler passiert sein können“. 35 Seiten umfasst das Statement, das Tandler verliest.

Sie sei in die Familie des CSU-Politikers hineingeboren worden, sagt Tandler. „Aber dafür kann ich nichts.“ Sie habe ihren Namen nicht bewusst eingesetzt, als ihr von einem in der Schweiz lebenden Bekannten das Angebot gemacht wurde, für Emix Kontakte herzustellen und Schutzausrüstung zu vermitteln. Die Kontakte zu den Gesundheitsministerien in Bayern, Nordrhein-Westfalen und im Bund kamen unter anderem über Vermittlung der Strauß-Tochter Monika Hohlmeier, einer Freundin Tandlers, zustande.

Nicht nur Freunde und Geschäftspartner, sondern ein Paar?

Auch Darius N. bestätigt Tandlers Aussage in einem am Nachmittag von seinen Verteidigern verlesenen Statement und betont, dass man doch schließlich Tausenden von Menschen das Leben gerettet habe.

Beide wollen zudem dem Eindruck entgegenwirken, sie seien nicht nur Freunde und Geschäftspartner, sondern ein Paar gewesen, Tandler habe Darius N. seinen „Anteil“ de facto geschenkt.

Richterin Andrea Wagner zeigt sich skeptisch, erwähnt ein Testament, in dem Tandler ihren Freund als Alleinerben eingesetzt habe. Außerdem lässt sie SMS-Verläufe an die Wand projizieren, die anderes vermuten lassen: „Ich lieb dich so“, heißt es zum Beispiel in einer Nachricht Tandlers an ihren Geschäftspartner. Sie seien eben sehr gute Freunde gewesen, entgegnet Tandler. Ihrer Mutter oder anderen Freunden schreibe sie dasselbe.

Für den Prozess hat das Gericht bislang sechs Wochen eingeplant.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.