Umgang mit Konzernprofiten: Zukunftsgeld statt Zufallsgewinn

Eine Übergewinnsteuer könnte der EU Geld einbringen, das in ihrem Budget fehlt, zeigt eine Studie. Deutschland hat das Instrument auslaufen lassen.

Tanks von Exxon Mobile

Exxon Mobil Tanks am Hafen von Rotterdam Foto: Peter Dejong/ap

BRÜSSEL taz | Eine europaweite Übergewinnsteuer könnte zusätzliche Einnahmen von bis zu 126 Milliarden Euro pro Jahr generieren und den Übergang zur klimaneutralen Wirtschaft erleichtern. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der renommierten Universität Greenwich, die der taz vorab vorlag. Die Mehreinnahmen entsprechen ungefähr 0,8 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU oder 280 Euro pro Bürger.

Die Studie hat der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen in Auftrag gegeben. Die EU hatte im vergangenen Jahr eine Übergewinnsteuer im Energiesektor angekündigt. Nach einer Klage des US-Ölkonzerns Exxon war es um das Thema jedoch still geworden. In Deutschland ist das Instrument im Juni ausgelaufen. Zuletzt hatte Italien angekündigt, die Extraprofite der Banken zu besteuern.

„Während die Preise steigen und die Mehrheit der Menschen real an Einkommen verliert, haben viele Konzerne seit der Pandemie hohe Zufallsgewinne gemacht“, sagte Andresen. Die EU müsse hier gegensteuern, denn die Ungleichheit habe nicht nur negative ökonomische Folgen. Sie gefährde auch den sozialen Zusammenhalt und trage zum Erstarken von rechtsextremen Parteien bei.

Konkret schlagen die Forscher vor, Zufallsgewinne erst ab einem bestimmten Prozentsatz zu besteuern. Die Steuer soll erst bei Profiten greifen, die die Schwelle von zehn Prozent aller Vermögenswerte überschreiten. Der Steuersatz soll zunächst bei 20 Prozent, bei höheren Gewinnen bei 40 Prozent liegen. Dieser progressive Ansatz soll es den Unternehmen erlauben, weiter wichtige Investitionen zu tätigen.

Finanzspritze für das EU-Budget

Betroffen wären nach Angaben der Forscher von allem die Bereiche Industrie, Energie, Transport, Informationstechnologie und Finanzwirtschaft. Die Steuer soll nach dem Bestimmungsland-Prinzip berechnet werden – also an dem Ort, wo der Gewinn tatsächlich erwirtschaftet wird. So ließe sich nach Ansicht der Experten die Gefahr von Steuervermeidung und Abwanderung bannen.

Die Zahlen stützen sich auf Berechnungen aus dem Jahr 2022. Dies sei – wegen Energiekrise und Gewinninflation – zwar ein Ausnahmejahr gewesen. Dennoch habe die Studie gezeigt, wie viel Potenzial eine Übergewinnsteuer birgt.

Progressive Ökonomen und Politiker werben seit Langem für eine Abschöpfung der Extraprofite – bisher ohne großen Erfolg. In der EU scheitert eine Übergewinnsteuer vor allem daran, dass für die Steuerpolitik die Mitgliedsländer zuständig sind. Das Europaparlament fordert zwar, dass die EU auch über Eigenmittel verfügen müsse, die aus neuen Steuern finanziert werden könnten. Die Reformbemühungen kommen jedoch kaum voran.

Neuen Auftrieb hat die Debatte durch die rasant steigenden Zinsen erhalten. Sie bescheren nämlich nicht nur den Banken neue Gewinne. Sie belasten auch das ohnehin schon durch die Ukraine-Hilfe und andere Sonderausgaben überforderte EU-Budget, das sich rund zur Hälfte aus Schulden finanziert. Die EU-Kommission fordert deshalb einen Nachschlag, doch die Staaten sträuben sich.

Eine zentrale Rolle spielen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Lindner will den Deutschen und den Europäern im kommenden Jahr einen strikten Sparkurs verordnen. Habeck hat die Abschöpfung sogenannter Überschusserlöse auf dem Strommarkt Ende Juni auslaufen lassen. Bis Ende März waren nur rund 417 Millionen Euro zusammengekommen.

Das reiche nicht, um den Aufwand zu rechtfertigen, hieß es in Berlin. Sein grüner Parteifreund Andresen hält nun dagegen. „Die ökonomische Spaltung wird zum Problem für unsere Demokratie“, sagte er in Brüssel. Es sei Zeit, „konkrete In­strumente zu beschließen, die allen Menschen eine bessere Zukunft ermöglichen.“ Nur so sei auch eine sozial verträgliche Klimawende zu schaffen.

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