Bahá’í, religiöse Minderheit in Iran: Eine lange Geschichte des Leids

Bahá'i werden in Iran seit dem Bestehen der Religion diskriminiert. Derzeit kommt es vermehrt zu Verhaftungen und Verurteilungen von Frauen.

Ein Bild mit goldenem Rahmen und eine Vase mit rotem Blumen

Bild und Vase in einem Baha'i-Haushalt: Regimekräfte durchsuchen diese und beschlagnahmen Wertgegenstände Foto: Philippe Lissac/Godong/Photononstop/afp

BERLIN taz | Vier Monate lang wurde Faride Moradi in der iranischen Stadt Mashhad immer wieder vom Geheimdienstministerium vorgeladen und musste gegenüber den Behörden aussagen. Der Grund für die Verhöre ist ihre Religion. Moradi gehört den Bahá’í an, der größten religiösen Minderheit in Iran. Aber das ist nicht alles. Außerdem engagierte sich Moradi für benachteiligte Kinder. Offenbar stört das Regime das: ihre Religionszugehörigkeit, verbunden mit dem sozialen Einsatz.

Um einer Haft zu entgehen, musste sie eine Kaution hinterlegen – und das war nicht leicht für sie, wie ihr Neffe Hesam Missaghi erzählt. Er lebt in Berlin und unterstützt die „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung. „Meine Tante und mein Onkel hatten das Geld nicht“, erklärt er. „Meine Tante musste die Wohnung ihrer Eltern als Kaution hinterlegen.“ Der Prozess gegen Moradi ging trotzdem weiter.

Am Donnerstag wurde sie wegen der „Mitgliedschaft in Gruppierungen mit dem Ziel, die nationale Sicherheit zu zerstören“, und „Propaganda gegen den Staat“ zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Das Urteil gegen Moradi ist nur eines von vielen einer aktuellen Verfolgungswelle gegen Bahá’í.

Die Religion gibt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts und seit dem werden An­hän­ge­r*in­nen der Religion in Iran systematisch diskriminiert und verfolgt. Als nach der Revolution 1979 die Islamischen Republik entstand, spitzte sich diese Verfolgung zu.

Erinnerung an zehn Frauen

Das Regime erkennt das Bahaitum als Religion nicht an. Pilgerstätten wurden entweiht, Friedhöfe geschändet, Krankenhäuser zerstört. Die staatliche Verfolgung nahm zu: Bahá’í sind bis heute von Universitäten ausgeschlossen, sie werden enteignet, immer wieder kommt es zu staatlich organisierten Pogromen.

Am 18. Juni 1983 wurden zehn Frauen in Shiraz nach monatelanger Folter öffentlich hingerichtet. Die jüngste war die 17-jährige Mona Mahmoudnejad. Sie musste die Hinrichtungen der anderen Frauen mit ansehen, dann wurde sie zum Galgen geführt. Derzeit erinnert die Internationale Bahá’í Gemeinde mit der Kampagne #OurStoryIsOne an die zehn Frauen.

Immer wieder geht Iran gegen die Religionsgemeinschaft vor. Die aktuelle Verfolgungswelle gegen Bahá’í hält seit einigen Monaten an. Im August wurden 180 Bahá’í festgenommen. Laut einem Bericht der iranischen Menschenrechtsorganisation HRANA betrafen 2022 etwa 65 Prozent der religiös motivierten Menschenrechtsverletzungen in Iran die Bahá’í.

Aktuell sind vor allem Frauen betroffen. In den vergangenen Tagen wurden 26 Bahá’í, davon 16 Frauen, zu insgesamt 126 Jahren Haft verurteilt. Allein am vergangenen Montag wurden zehn Frauen in Isfahan und drei in Yazd verhaftet.

Dabei durchsuchten die Regimekräfte Häuser, beschlagnahmten elektronische Geräte, Bücher, aber auch Bargeld und Gold. Bei einer vierköpfigen Familie in Isfahan stürmten sie gegen sechs Uhr morgens die Wohnung, verhafteten Mutter und Tochter und zerstörten die gesamte Wohnung. Viel Wertvolles sei mitgenommen, aber auch zwei große Kisten Kinderspielzeug. „Wie eine Räuberbande“, findet Hesam Missaghi, der mit Angehörigen der Familie in Kontakt steht.

Zehn Jahre im Evin-Gefängnis

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bahá’í-Gemeinde in Deutschland, Jascha Noltenius, betont, dass es sich dabei um keine Einzelfälle handelt. „Jeder dieser Bahá’í in Iran hat eine lebenslange Geschichte der Verfolgung, die jede Facette seines Lebens beeinflusst hat. Diese Geschichten sind ein erschreckendes Zeugnis jahrzehntelanger gnadenloser Verfolgung einer ganzen Gemeinschaft, nur wegen ihres Glaubens.“ Jetzt gerade nutze das Regime wohl, dass die Welt sich auf den Nahostkonflikt konzentriert, vermutet er.

Die bekanntesten Fälle inhaftierter Bahá’í sind Mahvash Sabet und Fariba Kamalabadi. Beide Frauen saßen bereits von 2008 bis 2018 im berüchtigten Evin Gefängnis. Vier Jahre nach ihrer Freilassung wurden sie im Juli 2022 erneut verhaftet und zu jeweils zehn Jahren Haft verurteilt. Sabet ist bereits 70 Jahre alt. Im Verhör wurde sie gegen die Wand geschlagen, während sie auf einem Stuhl saß, sodass ihre Kniescheiben brachen. Sie und Kamalabadi sitzen aktuell wieder im Evin-Gefängnis.

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