Theater über Schwarzsein: Auf Wurzelsuche im Zauberlicht

Empowerment in Hannover: In „I am. We are“ der Hamburgerin Mable Preach suchen junge BIPoCs nach ihren Wurzeln und positiven Vorbildern.

Vier Schwarze Menschen hocken in blauem Licht auf einer Bühne

Mit humorvollem Ernst gespielt: Ensemble von „I am. We are“ Foto: Isabel Machado Rios

Aktuell heißt der Modus Dauerkrise. Die Hamburger Regisseurin Mable Preach schlägt vor, ihm versuchsweise mal die Suche nach sich selbst als Verortung in der Vergangenheit entgegenzusetzen. Also tanzen in der Stückentwicklung „I am. We are“ am Schauspiel Hannover junge BIPoCs auf der Suche nach den eigenen Wurzeln durch ghanaische Wälder. Irgendwo soll ein geheimnisvoller See bei Vollmond entstehen und als Briefkasten für Flaschenpost an Schwarze tote Held:in­nen fungieren.

Preach schafft eine Bühnensituation mit Afropop-Flair und hat eine klare Botschaft zu offerieren. Das angepeilt junge Publikum soll positiv besetzte Menschen, die einem irgendwie ähneln, als Motivations- und Selbstverständigungshelfer entdecken. Dazu sind ein paar Denglisch-Dialoge im Jugend-Jargon arrangiert sowie sehr gelungene Songdarbietungen und auch mal eine Gedicht-Rezitation inszeniert.

Vier recht eindimensional gescriptete Figuren lässt das Ensemble dafür liebevoll lebendig werden, weich in den Bewegungen, woke im Miteinander. Da ist zunächst Ruby, Tochter eines abgeschobenen Afrikaners und einer deutschen Mutter.

Sie erzählt, in eine Adoptivfamilie gegeben worden zu sein, der es missfiel, dass sie als „mixed Mädchen“ wie ein „bunter Hund“ auffiel. Deswegen wurde versucht, ihr das „Schwarzsein aus-zu-erziehen“. Ruby nimmt sich daher zum Vorbild die ähnlich aufgewachsene, 1996 freiwillig aus dem Leben geschiedene May Ayim, Schriftstellerin und Aktivistin afrodeutscher Initiativen.

„I Am. We Are“ von Mable Preach: Wieder am 25. 10. sowie am 2., 9. und 23. 11., jeweils 19.30 Uhr Ballhof Zwei, Hannover

Chin erzählt strahlend, seinem Namen gemäß, vom nigerianischen Schriftsteller Chinua Achebe. Abbla widmet ihre „Storytime“ Queen Nzinga, die im heutigen Angola den mörderischen Kolonialisten aus Portugal einst Paroli bieten konnte. Afias Kurzvortrag feiert Queen Abla Pokou. Im 18. Jahrhundert opferte sie den Göttern ihren Sohn, um ihr Volk in ein sicheres Siedlungsgebiet (der heutigen Elfenbeinküste) führen zu können.

Und alle singen: „We stand on the shoulders of giants / We honor their legacy with defiance / We will not be silenced or oppressed / We will rise up and be our best / I am. We are. Our ancestors’ wildest dreams.“

Endlich Vollmond – eingeflaschte Briefe an die Ahnen werden verschickt. Und was folgt aus der Auseinandersetzung mit der Geschichte? Abbla erklärt, nun BWL studieren zu wollen, Chin möchte seine Bilder ausstellen, Ruby ihren Vater suchen und Afia sie dabei begleiten.

Der retrofuturistische Ansatz zur Selbstbestimmung ist lehrreich mit humorvollem Ernst entwickelt. Dass Jugendliche diese sympathische Fortsetzung von Schule mit Theatermitteln anregend aufklärerisch kickt, bleibt zu hoffen. Denn Em­powerment wärmt in diesen miesen Zeiten. Jens Fischer

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