Theater übers Feiern: Nach der Fete ist vor der Fete

Von Festen, Partys und Techno-Clubs: Fynn Malte Schmidts szenisches Projekt „Party in a Nutshell“ am Staatstheater Braunschweig.

Drei Menschen hocken unter einem Tisch

Foto: Joseph Ruben

Quasselei und Ringelpiez, dazu etwas Rauschmittelkonsum: So unglamourös beschreibt Fynn Malte Schmidt, in seinem Projekt „Party in a Nutshell“ das kollektive Erlebnis, mit dem alle Probleme für ein paar Stunden vergessen werden sollen. Denn die Feten, Feste, Feiern, der Techno-Club-, Rummelplatz-, Karnevalsbesuch am Wochenende sind für viele Menschen das Ziel der alltäglichen Plackerei. Vielleicht sogar ihr Sinn.

Zu den Codes diverser Partyrealitäten hat nun Schmidt einiges ironisch anzumerken. Der Regieabsolvent der Züricher Hochschule der Künste hat aber auch Neugier entwickelt, das Phänomen mal locker zu hinterfragen und an seine ekstasewillige Urkraft zu erinnern. Ein umfangreiches Sujet fürs performative Assoziieren – im „Aquarium“, der Experimentierbühne des Staatstheaters Braunschweig. Die erinnert jetzt an Kaffeenachmittage zu Ehren der freiwilligen Helfer eines Bürgerzentrums. Papierstreifen schmücken die Lampen, von Oma geerbte Decken und Plastikblumen die Tische, an denen das Publikum Platz nimmt.

Drei Dar­stel­le­r:in­nen spielen typische Party-Erlebnisse. Das verquälte Begrüßen und Zuprosten, unsicheres Herumstolzieren, schnöseliges Ordern von Getränken. Es wird auch vor- und mitgesungen, geht aber vor allem darum, Berührungen, Aufmerksamkeit und Selbstbestätigung zu tanken. Eingestreute Festreden strotzen vor blöden Witzen, pathetischen Metaphern und peinvoll persönlichen Danksagungen. Für Aufmerksamkeit sorgt mal ein Lach-, mal ein Zappelanfall, wohl eine Tanzparodie. Schmidt betont die freudlos verklemmte Langeweile solcher Abende, bei der Machtverhältnisse nicht geschleift, sondern bestätigt werden. Aber wollen nicht eigentlich alle das totale Gegenteil des normierten Alltags feiern, also Chaos und Freiheit?

Schon stürmt ein Schwarzer Block von acht Jugendlichen die Szenerie und lädt ein, Feierenergie in politische Aktionen umzusetzen. Sind Widerstand, Aufstand und Revolution nicht die wahre Party? Stattdessen bekommen alle Be­su­che­r:innen ein paar Quadratzentimeter zum Tanzen zugewiesen, um in den Flow selbstvergessener Zustände zu kommen. Einige wollen gar nicht aufhören, zugespielte Beats durch ihre Körper fließen zu lassen.

Szenisches Projekt „Party in an Nutshell“, Staatstheater Braunschweig/Aquarium; nächste Aufführungen am 22. und 25.10., 25.11., 19. und 31.12., jeweils um 20 Uhr.

Sie nehmen so die Aussage des Schlussbildes vorweg. Da sitzen die drei Feierbiester des Staatstheaters im Schlafanzug, schauen entgeistert durchs Fenster auf die Welt vorm Theater: Nach der Party bedeutet für sie nichts anderes, als Warten auf die nächste Party. Was mit diesem Bedürfnis möglich sein könnte, dafür hat Fynn Malte Schmidt einen Denkraum geöffnet. Jens Fischer

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