Vorwahlkampf in Hamburg: Grüne wagen wieder Schulpolitik

Für mehr Bildungsgerechtigkeit wollen sich Hamburgs Grüne einsetzen, etwa durch eine neue Prüfkultur. Bislang überließen sie die Schulpolitik der SPD.

Fünf Kinder sitzen mit einer Lehrerin an einem Tisch am Fenster

Soll nach Ansicht von Hamburgs Grünen früher stattfinden: Sprachbildung für Kinder Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Hamburgs Grüne wollen sich für mehr Bildungsgerechtigkeit stark machen. Denn die sei wichtig, damit „unsere demokratische Gesellschaft stabil bleibt“, heißt es in einem 32-Seiten-Leitantrag, über den am 7. November abgestimmt werden soll. Die Partei setzt dabei auf frühe Förderung der Kinder und die „Stärkung des Lernens im eigenen Takt“.

In Hamburg wird in 16 Monaten gewählt. Der Antrag sei noch nicht das Wahlprogramm für 2025, sagt die Landesvorsitzende Maryam Blumenthal der taz. „Es geht um eine langfristige Perspektive.“

Im Zuge einer „Planwerkstatt 2030“ habe man in einem längeren Prozess beraten, wie Hamburg sich bis 2030 aufstellen will. Gleichwohl hoffe sie, das sich viele Punkte aus dem Papier im Wahlprogramm wiederfinden. Bildung, das habe die Partei nach Analysen der letzten Wahl von 2020 gesehen, sei neben Stadtentwicklung und Wirtschaft eines der Felder, in dem die Grünen sich weiterentwickeln wollten. Noch gut in Erinnerung ist Hamburgern die Volksabstimmung von 2010, bei dem die Grünen mit dem Plan einer sechsjährigen Grundschule scheiterten.

Seit 2011 ist der in puncto Lernkultur eher rustikale SPD-Mann Ties Rabe Schulsenator und gibt den Ton an. Und ziemlich gekracht hatte es, als dieser vor einem Jahr neue Bildungspläne für die Oberstufe vorlegte – und im Zuge dessen den Schulen auch mehr Klausuren aufbürden und die Möglichkeit einer Klausur-Ersatzleistung streichen wollte. Auch sollte das Mündliche weniger zählen. Letztlich ruderte Rabe zurück.

Der taz Salon lädt am 14. November unter dem Titel „Mehr Zeit fürs Gymnasium?“ zu einer Diskussion über das Turbo-Abitur. Der Beginn ist um 19.30 Uhr in der Fabrique im Gängeviertel, Valentinskamp 34a, Hamburg. Weitere Informationen gibt es hier.

In dem Grünen-Leitantrag heißt es nun, der damalige schulformübergreifende Aufschrei habe gezeigt, dass es „in der Stadt eine Sensibilität für das Thema ‚Prüfungskultur‘ gibt“. In der heutigen digitalisierten und globalisierten Gesellschaft gehe es weniger um „reine Anhäufung des Faktenwissens“ als um Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Problemlösungsstrategien.

„Es ist fraglich, ob die Oberstufe Schü­le­r*in­nen aktuell wirklich auf das vorbereitet, was sie später in der Ausbildung, im Studium oder im Beruf wirklich brauchen“, sagt Blumenthal. Deshalb sollte im Rahmen eines Schulversuchs die „zukunftsfähige Oberstufe“ erprobt werden, in der „modularisiert und flexibel“ das selbst verantwortete Lernen umgesetzt wird. Das könnte auch heißen, dass jemand ein halbes Jahr länger lernt. Zu einer Rückkehr zum neunjährigen Abitur (G9) am Gymnasium, die gerade eine Volksinitiative fordert, äußert sich der Leitantrag nicht.

Bereits seit Langem in einem Schulversuch erprobt sind Alternativen zu Schulnoten, die Kinder statt der Eins bis Sechs eine individuelle Rückmeldung ihres Lernfortschritts geben. Hier fordern die Grünen eine Gesetzesänderung, damit alle Schulen bis Jahrgang 7 Schulnoten ersetzen können. Außerdem soll es wieder zwei „Lernentwicklungsgespräche“ pro Jahr geben. Von dieser grünen Erfindung hatte Rabe 2012 ein Gespräch gestrichen – zur Lehrerentlastung.

Noch mehr tun müsse Hamburg zudem für Bildungsgerechtigkeit, sagen die Grünen. Noch immer erlangen Kinder mit niedrigerem Sozialstatus nur selten Abitur, ebenso Kinder mit Migrationshintergrund.

Bisher werden Kinder ab viereinhalb an den Schulen vorgestellt, um den Förderbedarf zu prüfen. De facto fänden viele Vorstellungen erst nach dem fünften Geburtstag und damit zu spät statt, sagt Blumenthal, die selbst Lehrerin an einer Stadtteilschule ist. Die Grünen wollen diese Untersuchung nun auf Dreieinhalbjährige vorziehen, damit die Förderung „frühstmöglich“ beginnt. Die sollte dann in der Kita stattfinden, sagt Blumenthal. Keineswegs sollten diese Kinder früher in die Schule.

Als alter Zankapfel gilt die Frage, ob Gymnasien und Stadtteilschulen sich Schüler aussuchen dürfen. Bis 2012 gab es so einen Schulversuch, der einigen Schulen erlaubte, gut die Hälfte nach Leistung auszuwählen. Seither gilt auch für sie die Wohnortnähe als Kriterium. Den Grünen schwebt nun vor, dass die Schulen einen Teil ihrer Schüler „gemäß ihrem eigenen Profil“ selbst auswählen – und damit das Kriterium der Wohnortnähe aufgeweicht würde.

Angesprochen auf Kritik einer Rosinenpickerei der Schulen sagt Blumenthal, es ginge darum, auf Wünsche von Schülern und Eltern einzugehen. „Ich glaube, dass wir da einen guten Weg erarbeiten können.“

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