Anlasslose Datenspeicherung: Klagen ist überflüssig

Grüne Abgeordnete hatten in Karlsruhe gegen die Vorratsdatenspeicherung geklagt. Nun ziehen sie die Beschwerde zurück, noch ein Urteil sei unnötig.

Eine Person mit einem gemalten Strichcode auf der Stirn

Anlasslose Massenspeicherungen sind vorerst vom Tisch Foto: Rainer Jensen/dpa

FREIBURG taz | Die Grünen haben ihre Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung zurückgenommen. Nach der eindeutigen Rechtsprechung von Europäischem Gerichtshof (EuGH) und Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sei ein weiteres Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr erforderlich.

Die Vorratsdatenspeicherung war 2015 von der Großen Koalition beschlossen worden. Die Telekom-Firmen sollten anlasslos alle Telefon- und Internetverbindungsdaten der ganzen Bevölkerung zehn Wochen lang speichern. So wäre ein riesiger Datenfundus entstanden, auf den die Polizei bei Bedarf hätte zugreifen können.

Die Regelung steht immer noch im Gesetz, war aber nie angewandt worden, weil der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Vorratsspeicherung in anderen EU-Staaten bereits beanstandet hatte. Im September 2022 hat der EuGH dann auch ausdrücklich die deutschen Regeln als Verstoß gegen EU-Recht eingestuft. Die anlasslose Speicherung greife unverhältnismäßig in die EU-Grundrechte der Bür­ge­r:in­nen ein.

Ein Jahr später, im August 2023, hat zudem das BVerwG in Leipzig entschieden, dass die deutsche Regelung im Telekommunikationsgesetz „in vollem Umfang“ mit EU-Recht unvereinbar ist und auch nicht „unionsrechtskonform“ ausgelegt werden kann. Damit war auch die Überlegung des Innenministeriums vom Tisch, zumindest die vom EuGH für zulässig erachtete Speicherung von IP-Adressen auf Grundlage des bestehenden Gesetzes zu starten.

„Sehr deutliches Urteil“

„Angesichts dieses erneuten, sehr deutlichen Urteils braucht es eine weitere Klarstellung durch das Bundesverfassungsgericht zur geltenden Gesetzeslage nicht“, sagte nun Konstantin von Notz, der 2016 gemeinsam mit 17 weiteren Grünen-Abgeordneten Verfassungsbeschwerde eingelegt hatte. Die Klage wurde nun von den Grünen für „erledigt“ erklärt.

Anhängig sind in Karlsruhe noch die Verfassungsbeschwerde von 20 FDP-Abgeordneten, zu denen auch Justizminister Marco Buschmann gehört, und eine weitere Verfassungsbeschwerde des Berliner Anwalts Carl Christian Müller. Sie dürften alsbald vom Bundesverfassungsgericht wegen fehlendem „Rechtsschutzbedürfnis“ für unzulässig erklärt werden.

Schon im Frühjahr 2023 hatte das Bundesverfassungsgericht drei Verfassungsbeschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung für unzulässig erklärt, darunter die Klage der NGO „digitalcourage“. Sie hätten nicht auf das EuGH-Urteil von 2022 reagiert.

Damit liegt der Streit um die Vorratsdatenspeicherung wieder ganz im Feld der Politik. Die Grünen unterstützen dabei Justizminister Marco Buschmann, der anlasslose Massendatenspeicherungen ablehnt und als Alternative ein „Quick Freeze“-Modell vorgelegt hat. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) beharrt zwar auf einer Vorratsdatenspeicherung für IP-Adressen, ist derzeit aber vor allem mit Migrationsfragen und Sondierungsverhandlungen in Hessen beschäftigt.

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